Gelsenkirchen. Der SPD-Ortsverein Schalke hatte Montagabend ein ebenso sensibles wie brisantes Diskussionsthema: Einwanderer aus Bulgarien und Rumänien. Als Gesprächspartnerin war Sozialdezernentin Karin Welge zur Stelle.

Das Thema ist sensibel. Hochsensibel. Und es birgt sozialen Zündstoff. Ein brisantes Spannungsfeld für eine öffentliche Diskussion zum Thema „Einwanderer aus Bulgarien und Rumänien: Auch Sinti und Roma kommen und sind gekommen, um zu bleiben.“

Der SPD-Ortsverein Schalke hat das Thema auf der Agenda. Schon in der Einladung hat OV-Vorsitzender und Stadtverordneter Ralf Hauk klar die Richtung vorgegeben, in die es nur gehen kann. Indem er etwa behutsam formulierte: „Auch wenn wir nicht das Land sind, wo Milch und Honig fließen, so geht es ihnen hier besser als in ihrer Heimat – was auch immer das heißen mag. Ich würde auch mein Bündel packen und zusehen, dass ich Land gewinne.“

Soziale Komponente vernachlässigt

Sozialdezernentin Karin Welge zeichnete Montagabend zunächst die gesetzlichen Rahmenbedingungen auf, wonach die Kommune grundsätzlich verpflichtet ist, nach einem Zuweisungsschlüssel Asylbewerber aufzunehmen und unterzubringen. Grundsätzlich müsse man zwischen zwei Gruppen unterscheiden. Zum einen würden Menschen über das EU-Zuzugsrecht selbstbestimmt nach Gelsenkirchen kommen können, zum anderen gebe es Asylbewerber. Von den Flüchtlingen, die das Land Nordrhein-Westfalen aufnehme, müsse Gelsenkirchen 1,36 Prozent beherbergen.

„Menschen in Not ziehen natürlich nicht in Städte, in denen die Mieten exorbitant hoch ist“, sagte Karin Welge. Womit indirekt der Bogen in den Gelsenkirchener Stadtteil Schalke geschlagen wurde. Venetia Harontzas vom LalokLibre sagte in der sich anschließenden Diskussion: „Viele EU-Bürger, die hierher kommen, stehen vor dem Nichts. Wir haben die Kampagne ,Kein Kind zurück lassen’. Aber diese Kinder lassen wir zurück. Und wir werden dann ab 2014 ganz viel aufzuholen haben.“

"Wir arbeiten an der Basis. Wir kennen die Probleme"

Das betonte sie auch vor dem Hintergrund, dass die aus Bulgarien und Rumänien eingereisten Familien meist keine Krankenversicherung hätten. „Wir arbeiten an der Basis, wir kennen die Probleme“, so Harontzas. „Wenn Familien eine Wohnung suchen und sagen, dass sie Rumänen sind, geht beim Vermieter das erste Licht aus. Wenn die Menschen dann auch noch sagen, dass das Kindergeld nur für 50 bis 60 Quadratmeter reicht, gehen alle Lichter aus.“

Ein Mann aus der rund 20-köpfigen Besucherreihe merkte an: „Das Problem sind die EU-Verträge. Man hat den wirtschaftlichen Vorteil gesehen und die soziale Komponente vernachlässigt.“

Lebensbedingungen in Herkunftsländern verbessern

Sozialdezernentin Karin Welge machte die Zwickmühle deutlich, in der arme Kommunen wie Gelsenkirchen auch im Zusammenhang mit Zuwanderungs- und Asylpolitik stecken. Die hochbrisante Frage, warum die Menschen kommen, müsse auf europäischer Ebene diskutiert werden. Und: „Wir müssen dafür kämpfen, dass es in den Herkunftsländern gute Lebensbedingungen gibt und die Menschen ein Heimatgefühl haben. Die Lösung kann nicht sein, dass alle Menschen hierher kommen.“ Welge gab zu bedenken, dass die Stadt täglich einen sozialpolitischen Spagat machen müsse, um die Balance zu halten und machte die Beispielrechnung auf: „Ein neuer Kindergarten, das sind drei Straßensanierungen weniger.“

In Gelsenkirchen leben zurzeit rund 1700 Sinti und Roma. 380 von ihnen sind (noch) in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. Sie haben zum ersten Mal einen Asylantrag gestellt. Eine weitere Gruppe ist bereits zum zweiten Mal nach Gelsenkirchen gekommen; Menschen, die einen Asylfolgeantrag gestellt haben.