Gelsenkirchen.

Eine Frau erzählt in einem gigantischen Redefluss aus ihrem Leben, eine Sängerin wiederholt den verwirrenden Text nach wilden Noten: Absurdes Theater trifft auf zeitgenössische Musik und verspricht außergewöhnlichen Hörgenuss. In einem Spezial der gleichnamigen Veranstaltungsreihe gastiert das Musiktheater im Kunstmuseum.

„Not I – Nicht ich“ heißt das Monodram von Samuel Beckett in der Vertonung des Musikers und Komponisten Heinz Holliger, das am Sonntag, 9. Dezember, um 18 Uhr im Museum an der Horster Straße auf eine ungewöhnliche Bühne kommt. Umgeben von abstrakten Werken aus der bildenden Kunst werden die Besucher ein Gesamtkunstwerk aus Sprache, Musik und Installation erleben.

Erfolgreiche Premiere

„Ein schwerer, anspruchsvoller und anstrengender Stoff, bei dem das Publikum auf jedes Wort, jeden Ton achten sollte.“ Sagt eine, die es wissen muss. Die Sopranistin Elise Kaufmann, die in der letzten Spielzeit ihr 30-jähriges Bühnenjubiläum feierte, übernimmt den Gesangspart der Produktion, die bereits im Mai im Museum Pfalzgalerie Kaiserlautern Premiere feierte.

Viele große Partien hat die 59 Jahre alte, gebürtige Amerikanerin mit deutschem Pass bereits gesungen, gilt als Spezialistin für Neue Musik. Von dieser Rolle aber sagt sie: „Das ist eine meiner schwierigsten.“ Am Anfang, da hätte sie kaum geglaubt, dass sie diesen, wie sie sagt, genialen Text wirklich auswendig lernen könnte. Sie hat es geschafft, lernt aber immer noch weiter, um ihn im Kopf zu behalten.

Und darum geht’s: Eine Frau erinnert sich an ihr Leben. In immer wiederkehrenden, rätselhaften Wortfetzen und Satzfragmenten breitet sie ihr Leben aus, stets in der Distanz einer dritten Person von sich sprechend. Daher der Titel „Nicht ich“.

Absurdes Theater heißt auch hier: Ein orientierungsloser Mensch verliert sich in den unendlichen Wirrnissen der Welt. „Text und Töne wiederholen sich immer wieder, aber es gelingt einfach nicht, aus diesen vielen Puzzleteilen ein Bild zusammenzusetzen“, sagt die Sängerin. Sie erinnert das Stück an ihre Heimat in Iowa: „Auch hier gibt es so viele kleine Wege, auf denen man sich ständig verliert.“

Gespaltene Persönlichkeit und Frauenfigur 

Der Part der Schauspielerin Susanne Ruppik besteht aus einem schier atemlosen Redefluss, die Musik nimmt sich dagegen etwa mehr Zeit. Kaufmann: „Sie ist wild, aber auch lyrisch, mal laut, mal leise.“ Die gespaltene Persönlichkeit der Frauenfigur dokumentiert zusätzlich eine Tonbandstimme, die die Stimme vervielfacht.

Das Publikum liebt Elise Kaufmann vor allem in den leichten, beschwingten Rollen, sie selbst aber mag die schwierigen Figuren, die unbekannten, komplexen Charaktere. Und ist am Sonntag im Kunstmuseum eine Stunde und zehn Minuten lang voll und ganz in ihrem Element. Sie darf hier „Ich“ sein.

Kind des Ruhrgebiets

Die Sopranistin Elise Kaufmann stammt aus dem amerikanischen Iowa. Dort studierte sie Musik an der Universität von Maryland. Seit 1981 arbeitet sie in Deutschland, fühlt sich als Kind des Ruhrgebiets und des Theaters.

Nach ihrem ersten Engagement, 1981-82 am Staatstheater Braunschweig wechselte Elise Kaufmann zum Gelsenkirchener Musiktheater im Revier. Mit der Saison 2011/12 schaute die Sopranistin auf 30 Bühnenjahre, auf 120 verschiedene Rollen in über 150 Produktionen zurück. Ihre Auftritte führte sie zusammen mit Regisseuren wie Herbert Wernicke und Dieter Hilsdorf. Gleich zwei Mal erhielt Elise Kaufmann den Preis der Theatergemeinde. Als Gast sang sie auf über 30 verschiedene Bühnen.

Karten für die Vorstellung „Not I“,bei der Andreas Bronkalla Regie führt, gibt es an der Theaterkasse im Musiktheater im Revier, Kennedyplatz, für 15 Euro.