Gelsenkirchen. Küster Heinz Pinnau hat sich für die Adventsgestaltung der Liebfrauenkirche in der Gelsenkirchener Neustadt etwas besonderes überlegt. Er verlegte gemeinsam mit Handwerkern und den Eisenbahnfreunden Bismarck sechs Meter Gleis in der Kirche.

Vier Männer, vor Anstrengung schnaubend, halten mit einem langen rammbockartigen Gegenstand auf die Liebfrauenkirche zu. Doch keine Panik: Zerstören wollen sie das Gotteshaus nicht. Im Gegenteil, sie arbeiten an der Adventsdekoration. Es fehlt lediglich der Hinweis: Vorsicht, Gleisarbeiten!

Was Gleise in der Kirche zu suchen, Schienen mit Besinnlichkeit und starke Männer mit Dekoration zu tun haben, mag sich nicht direkt erschließen. Doch wie sooft ist der wahre Wert symbolisch.

Lieber Stahlschwellen und Gleiswerkzeuge

Heinz Pinnau (58) ist seit 30 Jahren als Küster für die Adventsgestaltung der Liebfrauenkirche zuständig – mit der freien Auslegung von Symbolen kennt er sich aus. Warum er in diesem Jahr statt Tannenzweigen und roten Kerzen lieber Stahlschwellen und Gleiswerkzeuge zur Dekoration nutzt, hat vor allem einen Grund. Im Januar wird nämlich die Jugendkirche „Gleis X“ eröffnet. An den derzeitigen Status der „Gleisarbeiten“ wollte er anknüpfen.

Dafür stellte er bereits vier Kerzen im Eingangsbereich der Kirche auf. Sie sehen aus wie die Bahnübergangs-Baken, haben ein, zwei, drei und vier rote Striche und gelten – richtig – als Adventskerzen.

Gleisstück von der Zeche Graf Bismarck

Genau in die Mitte montieren nun die Männer mit den starken Armen sechs Meter Gleis auf Stahlschwellen. Ein Schienenteil wiegt eineinhalb Tonnen. Doch die helfenden Installateure und Dachdecker verlegen Zug um Zug das Gleis – immer begleitet vom kritischen Blick Paul Lindemanns. Er und der Verein der Eisenbahnfreunde Bismarck haben Pinnau bei seiner Idee unterstützt. Denn das Gleisjoch, was nun die Kirche schmückt, ist nicht irgendeins.

„Es ist das letzte Stück, was von den Kohlentransportwegen der Zeche Graf Bismarck übrig ist. Die anderen Teile wurden alle vernichtet“, erzählt Lindemann. Normalerweise liegen die Schienen samt Gleiswagen, der früher bei der Reparatur von Fahrdrähten half, auf dem Bismarcker Vereinsgelände.

Gleis als Zeichen für den Lebensweg

„Das Flair der Kirche ist natürlich umwerfend, so etwas ist einmalig“, schwärmt er, „für mich ist die Installation auch ein Denkmal für die Männer, die so hart in den Gleisen schuften mussten.“

Für Küster Heinz Pinnau darf natürlich die christliche Übersetzung der Aktion nicht fehlen. „Platziert zwischen Taufbecken und Kreuz können die Gleise für den Weg stehen, der zwischen Geburt, Tod und Auferstehung mit all seinen Weichen stattfindet“, erklärt er.

Ganz auf gewohntes verzichtet der Küster nicht. Ab dem vierten Advent werden die 150 Jahre alten Krippefiguren auf dem Gleiswagen zu sehen sein. Ein Gleisbett also für das Jesuskind.