Gelsenkirchen. Aktion „Gutes Leben“ der IG Metall am Neumarkt in Gelsenkirchen. Gewerkschaft will mehr Bewusstsein für eine nachhaltigere Arbeitswelt schaffen.

Verschämt spricht der Mann, der aus Angst vor seinem Arbeitgeber, einer Leiharbeitsfirma, lieber anonym bleiben möchte, das Gewerkschafts-Duo Agnieszka Wiatrak und Robert Sadowsky an. Er wisse nicht, was er tun solle, berichtet von „immensem Druck“ und der allgegenwärtigen Drohung, „sofort auf die Straße gesetzt zu werden“, wenn er nicht trotz Krankheit täglich zur Arbeit erschiene. Seine Freundin neben ihm, auch sie steckt in der Bredouille: „kaufmännische Ausbildung“, Fortbildung zur Energieanlagenelektronikerin, erfolglos arbeitssuchend“, so lauten ihre Eckdaten.

Ziel: Geänderte Arbeitswelt schaffen

„Zwei Beispiele unter Tausenden“, sagt Sadowsky, 1. Bevollmächtigter der IG Metall. „Zugenommene Arbeitsdichte, geringe Entlohnung, Armut als Rentner – Alltag in Deutschland“, sagt er knapp. Deshalb sind er und ein Dutzend älterer Mitstreiter zum Neumarkt gekommen, haben Kleinlaster mit Bühne, Zelt und Plakatwand in die Fußgängerzone gestellt, „um aufzurütteln“, wie er sagt. Um ein neues Bewusstsein für eine nachhaltige Veränderung der Arbeitswelt zu schaffen. Ziel der Aktion „Gutes Leben“: u.a. Anhebung der Leiharbeitslöhne, Nachbesserung bei der Rente mit 67 und dem Alter entsprechender Personaleinsatz.

Sadowsky begründet die Forderungen mit harten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit: 59% der Belegschaften in Betrieben weisen ein Durchschnittsalter von 20 bis 49 Jahre auf, die Zahl der über 60-Jährigen ist gering – 61 Jahre (33%), 62 (29%), 63 Jahre (18%) und 64 Jahre (14% ).

Kaum einer erreicht das gesetzliche Renteneintrittsalter

Heißt: „Kaum einer erreicht das gesetzliche Renteneintrittsalter“, sagt der Gewerkschaftsfunktionär. Und untermauert seine Aussage mit einer weiteren Zahl: „Im Schnitt kommt nach unserer Erhebung ein Rentner heute auf ein Ruhegeld von deutlich unter 1000 Euro im Monat.“ Zu wenig zum Leben, zum Sterben zu viel, platt gesagt.

Insofern habe Ursula von der Leyen (CDU), Bundesministerin für Arbeit und Soziales, mit ihrer Initiative eine Zuschussrente einzuführen, eine gute wie nötige Debatte losgetreten.

Das schafft Öffentlichkeit, Druck von der Straße. Und so ist der freie Platz auf der Wand, auf dem das „Männeken“ blank zieht, bald gut gefüllt mit Statements zum aktuellen Arbeitsleben: „Rente mit 67 = Rentenkürzungsprogramm“ schreibt eine Frau drauf. Darunter steht: „Die Zukunft der Kinder ist gesichert?“ Oder: „Ausbeutung!!!“

Der Kampf um Wählerstimmen, er hat längst begonnen.