Gelsenkirchen. Sechs der sieben Verkehrstoten im vergangenen Jahr waren Senioren. Das berichtete Polizeipräsident Rüdiger von Schoenfeldt dem Rat. Schon jetzt zeichne sich ab: Der Trend des Vorjahres setzt sich im ersten Halbjahr 2012 fort. Diese Tendenz zwinge zum Handeln, sagt die Polizei.
Es gehört zur guten Tradition, dass der Polizeipräsident den Rat einmal jährlich über den aktuellen Stand der Polizeiarbeit und die Zusammenarbeit zwischen seiner Behörde und der Stadt informiert.
So geschehen in der letzten, schweißtreibenden Sitzung vor der Sommerpause. Dabei richtete Rüdiger von Schoenfeldt die Aufmerksamkeit auf eine traurige Besonderheit bei Verkehrsunfällen: Sieben Verkehrstote waren 2011 zu beklagen – sechs von ihnen waren Senioren. „Dieser Trend hat sich in diesem Jahr fortgesetzt“, sagte von Schoenfeldt. „Von bisher fünf Verkehrstoten waren vier Senioren.“ Diese Tendenz zwinge zum Handeln. In Planung sei eine Aktion zur Verkehrssicherheit älterer Menschen.
Kriminalität: Steigende Fallzahlen
Wie erfolgreich Schwerpunktarbeit in punkto Sicherheit sein kann, dafür steht die Statistik bei Unfällen mit Kindern. Die Arbeit der Kinder- und Unfallkommission, in der Polizei und Stadt jeden Kinderunfall analysieren und Handlungskonzepte entwickeln, hat aktiv dazu beigetragen, die Zahl der Verletzten pro Jahr von über 115 auf 72 (2011) zu senken.
Keine guten Botschaften hatte der Polizeipräsident dagegen im Bereich Kriminalitätsentwicklung. In den vergangenen zehn Jahren lag die Quote bei jährlich 24- bis 25.000 Delikten. „2011 waren es über 26.000, das ist eine Steigerung von neun Prozent gegenüber dem Vorjahr – und das bei sinkender Einwohnerzahl“, betonte von Schoenfeldt. Er lenkte die Aufmerksamkeit besonders auf Gewalttaten und Wohnungseinbrüche, „weil diese Delikte die Opfer stark beeinträchtigen und traumatisieren“. Wohnungseinbrüche – 2011 durchschnittlich zwei Delikte pro Tag – seien obendrein belastend, „weil hier die Intimsphäre von Personen zerstört wird und damit häufig das Vertrauen in einen geschützten Rückzugsbereich“.
81 Fälle politisch motivierter Kriminalität (PMK) hat die Gelsenkirchener Polizeibehörde im vergangenen Jahr registriert. Das Besorgniserregende: 64 Fälle sind der rechten Szene zuzuordnen.
Polizei ist besser vorbereitet
Bei den Taten handelte es sich von Schoenfeldts Worten zufolge um Propaganda- und Kennzeichendelikte, in fünf Fällen kam es zu Körperverletzungen. Bis nach Gelsenkirchen schlugen auch die Wellen des NSU-Terrors. Der Polizeichef sagte: „In einer Datei fand man zirka 10.000 Namen und Adressen von Institutionen und Personen, davon zirka 20 in Gelsenkirchen – teils veraltet, teils aktuell.“ Die Betroffenen seien informiert, „für eine besondere Gefährdung hatten wir keine Hinweise“.
Der Polizeichef lenkte die Aufmerksamkeit auch auf das Thema Gewalt gegen Polizisten. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des heimtückischen Verbrechens an zwei Beamten im Streifendienst im August 2011. „Das Problem ist nicht geringer geworden, hat aber für meine Mitarbeiter etwas an Schrecken verloren, weil sie auf die unterschiedlichen Situationen besser vorbereitet sind“, fasste von Schoenfeldt zusammen.
Präventionsrat packt den „Angstraum Hauptbahnhof“ an
Im Rat auf das Thema „Angstraum Hauptbahnhof“ angesprochen, sagte Polizeipräsident Rüdiger von Schoenfeldt, seine Behörde sei bereits im Gespräch mit der Stadt. Unstreitig gebe es hier Handlungsbedarf. Der Polizeichef: „Wir wollen jetzt zunächst restriktiv gegen Auswärtige, viele von ihnen kommen aus Essen, vorgehen.“ Einen runden Tisch, wie er von Lutz Dworzak (SPD) vorgeschlagen worden war, hält von Schoenfeldt unter Verweis auf den dafür bestens geeigneten Präventionsrat für nicht erforderlich. SPD-Fraktionschef Klaus Haertel warb ausdrücklich dafür, betroffene Bürger, die sich zu Wort gemeldet hätten, in die Gespräche einzubeziehen.
Monika Gärtner-Engel (AUF) fragte im Zusammenhang mit rechter Kriminalität, ob die Wohnwagenbrände – Ende 2010 brannte in der Feldmark das rollende Eigentum von Sinti- und Romafamilien nieder – im Zusammenhang mit den NSU-Verbrechen stünden. Was der Polizeichef verneinte.