Gelsenkirchen. . Ein derart scharfes Auge wie das von Volker Pispers auf die Politszene in Berlin dürfte es in Deutschland kein zweites Mal geben. In einfacher und präziser Sprache entlarvt er die Wahrheiten hinter dem politischen System, Wirtschaftskrise, Griechenlandrettung, Manipulation durch die Medien, Rüstungsgeschäfte und Jobwunder inklusive.
Das wäre auch ein spannender Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten gewesen: Kabarettist Volker Pispers hat am Samstag die Emscher-Lippe-Halle mit seinem ewig-aktuellen Programm „Bis neulich!“ gefüllt und sich in Höchstform präsentiert.
Dass das Staatsoberhaupt für seine Wahl auf politische Mehrheiten angewiesen ist, macht das „Modell-Pispers“ allerdings undenkbar. An den etablierten Parteien lässt der Kabarettist nämlich kein gutes Haar, um nicht von Kahlrasur zu sprechen.
Ein derart scharfes Auge auf die Politszene in Berlin dürfte es in Deutschland kein zweites Mal geben. In gewohnt einfacher und gleichwohl präziser Sprache entlarvt der Mönchengladbacher die Wahrheiten hinter dem politischen System, Wirtschaftskrise, Griechenlandrettung, Manipulation durch die Medien, Rüstungsgeschäfte und Jobwunder inklusive. „Wir haben kein Jobwunder - das einzige Wunder ist, dass die, die sich verarschen lassen, sich nicht zu Wort melden.“ Pispers rechnet detailliert anhand offizieller Zahlen vor, dass 12 Millionen Deutsche unter verschiedenen Umständen von „Hartz IV“ leben und seziert die Rechenmethoden der Politiker. Sein Ergebnis: „Es sind nicht 25 Prozent, sondern 40 Prozent der Deutschen, die von Altersarmut bedroht sind.“ Gleichzeitig hält der gelernte Lehrer seinem Publikum den Spiegel vor: „Geld arbeitet nicht, schminken sie sich das ab – oder haben sie mal einem 50-Euro-Schein ne Schippe in die Handgedrückt?“
"Ich hätte gern einen für´s Hirn gehabt“
Eine weltweit gerechte Verteilung der Ressourcen könne nur mit Verzicht einhergehen. An vielen Stellen dürfte so manchem Besucher das Lachen im Halse stecken geblieben sein. Neben Nachdenklichem holt Pispers zum Rundumschlag gegen die Politprominenz aus: Joachim Gauck („Jetzt haben wir also den Bundespräsidenten der Herzen, ich hätte gern einen für´s Hirn gehabt“), Guido Westerwelle („der wirkt immer wie ein verkrampfter Oberstufensprecher“), Philipp Rösler („die FDP hat den Generationenwechsel hin zum Unterstufensprecher vollzogen“) und Angela Merkel („die hat keine Angst vor der Kernschmelze in Kraftwerken, sondern vor der Kernschmelze in den Wahlurnen“) bekommen ihr Fett weg.
Pispers’ Lieblingsprügelknabe bleibt neben Ärzten und Unternehmensberatern, auch nach 29 Jahren Kabarett, die SPD: „Die Vorhaut der Arbeiterklasse: Wenn es brenzlig wird, zieht sie sich zurück.“ Dass es trotz entsprechender Mehrheiten in vielen Bundesländern nicht für eine rot-rot-grüne Regierung reicht, läge ebenfalls an den Sozialdemokraten. „Mit den Linken kann die SPD nicht, sonst müssten die ja Teile ihres Wahlprogramms umsetzen.“ Fast wehmütig beklagt der 54-Jährige: „Sie kriegen in Deutschland keine Mehrheit für eine Politik, die 80 Prozent der Menschen wollen.“ Dann nimmt Pispers den aktuellen NRW-Wahlkampf ins Visier: „Menschen, die in ihrem ganzen Leben kein Wahlprogramm gelesen haben, werfen den Piraten vor, keines zu haben.“
Am Ende seines dreistündigen Programms warnt Pispers: „Es wird immer schlimmer.“ In Deutschland drohe eine komplett entsolidarisierte Gesellschaft wie in den USA. Seine Antwort: „Demokratischer Sozialismus“. Und dann macht der ehemalige Student der Katholischen Theologie deutlich, warum er schon in jungen Jahren Freude am schwarzen Humor gefunden hat: „Wer behauptet, Sozialismus gehe nicht ohne Stacheldraht und Mauer, der behauptet auch, dass die Katholische Kirche nicht ohne Kinderficker geht.“