Gelsenkirchen. . Karin Wohlgemuth hat sich als Medientrainerin selbstständig gemacht. Ihren Kunden erklärt sie in den eigenen vier Wänden PC und Internet. Eine Stunde Technik-Nachhilfe kostet 20 Euro.

Bärbel Kruhöfer (66) schaut ungläubig in ihren digitalen Papierkorb: „Meine Güte, was ist denn da alles drin?“ Seit Januar bekommt die Resserin einmal pro Woche Besuch von Karin Wohlgemuth (38), die sich als Medienpädagogin selbstständig gemacht hat. „Das sind alles gelöschte Fotos. Wenn Du das bei einem Bild rückgängig machen möchtest, drückst Du die rechte Maustaste und dann auf ,Wiederherstellen’.“ Bärbel Kruhöfer versucht es. Klappt. War ganz einfach.

Seit Mitte 2011 macht Karin Wohlgemuth Hausbesuche wie diesen. Die Medienpädagogin zeigt ihren Klienten – zumeist älteren Menschen – an deren eigenem Computer, wie sie sicher im Internet surfen, wie sie E-Mails empfangen und verschicken, Briefe schreiben, Fotos bearbeiten und, und, und. „Ich habe das erst nur bei Bekannten gemacht.“ Die Resonanz sei aber dermaßen positiv gewesen, dass ihr die Geschäftsidee dazu gekommen sei.

Selbst gelernt

Unterstützt wurde die Existenzgründerin dabei von der Agentur für Arbeit in Gelsenkirchen. „Die waren wirklich sehr interessiert und haben mir Mut gemacht, den Schritt zu wagen“, sagt die 38-Jährige. Eine Stunde Hilfestellung kostet inklusive Anfahrt innerhalb von Gelsenkirchen 20 Euro.

„Ach, ich drehe das Mausrad in die falsche Richtung“, erkennt Bärbel Kruhöfer ihren Irrtum selber. Sie sucht den Brief an ihre Freundin Angelika, den sie beim letzten Termin mit Karin Wohlgemuth angefangen hatte zu schreiben. Aber bevor ihr ernsthafte Zweifel kommen, bekommt sie Lob. „Du hast alles richtig gemacht. Da ist der Brief wieder.“

Auch andere technische Gerätschaften stehen optional auf dem Stundenplan – Smartphones, Fernseher, Videokameras. „Ich habe mir fast alles selber beibringen müssen“, sagt die Technik-Trainerin. „Deshalb kann ich mich gut in die Lage versetzen, wie es ist, wenn man keine Ahnung hat.“

Angst, die falsche Taste zu drücken

Heinrich (70), der Mann von Bärbel Kruhöfer, schaut bei den Lektionen über die Schulter. „Ich habe zwar früher selber am PC gearbeitet – in der Firma. Aber nie im Internet, das brauchten wir nicht.“ Man habe Angst, so sagt seine Frau, eine falsche Taste zu drücken. Die Befürchtung, mit dem Drücken einer einzigen Taste den PC-GAU auszulösen, ist weit verbreitet bei Senioren. Auch vor Abo-Fallen müsse man auf der Hut sein, erzählt Heinrich Kruhöfer von einer nicht unbegründeten Vorsicht.

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Vor fünf Wochen hat sich das Ehepaar einen Laptop gekauft, einen zweiten vom Sohn „vererbt“ bekommen. Warum lassen sie sich die Welt von Computer und Internet nicht von ihrem Sohn beibringen? „Der hat keine Zeit dafür. Und außerdem macht er uns das zu schnell.“ Auch einen entsprechenden Kurs möchten die Kruhöfers nicht besuchen – dort sei man an die Zeiten gebunden.

Außerdem sei die Arbeitsatmosphäre in den eigenen vier Wänden eine bessere, eine intensivere. „Dumme Fragen gibt’s bei mir nicht“, sagt Karin Wohlgemuth, die genau wie Bärbel Kruhöfer selber zufrieden mit ihren Fortschritten ist. Aber ein paar Stunden werde sie wohl noch buchen müssen, sagt die Medien-Schülerin: „Das Vertraute, das Sicherheitsgefühl fehlt mir noch.“

Angefangen hat die 66-Jährige bei Null. Zuerst hat ihre Trainerin Karin Wohlgemuth ihr gezeigt, wie der Computer angeht, was die Maus ist und was passiert, wenn man deren Tasten drückt.