Gelsenkirchen. Werner Preißler schickt den Rosenmontagszug am 20. Januar nach 30 Jahren zum letzten Mal auf die Reise über die Cranger Straße. Preißler geht mit Wehmut - er sagt: “Ich will nicht so lange warten, bis ich mir sagen muss, du kannst es nicht mehr.“
Ohne ihn geht gar nichts am Rosenmontag. Wenn sich der Narrenzug in Bewegung setzt, hat Werner Preißler vorher die Fäden gezogen. Musikgruppen müssen verpflichtet, die Sicherheitsfragen geklärt werden, die Prunkwagen den närrischen TÜV überstehen. Seit 30 Jahren ist der 68-Jährige Zugleiter und somit Chef über Straße, Mensch und Fuhrpark. Am 20. Februar beginnt um 14.30 Uhr seine letzte Schicht auf der Cranger Straße. Wir sprachen mit dem Chefstrategen, der den Dirigierstab danach an Jüngere übergeben will.
Gehen Sie mit Wehmut oder Erleichterung, Verantwortung abgeben zu können?
Werner Preißler: Eindeutig mit Wehmut. Ich bin jetzt 68, wäre im närrischen Alter von 71 zu alt, um den Rosenmontagszug zu lenken. Ich habe mich entschlossen, jetzt aufzuhören, obwohl ich es noch schaffe. Ich will nicht so lange warten, bis ich mir sagen muss, du kannst es nicht mehr.
Was hat sich in 30 Jahren verändert?
Preißler: Wir hatten weniger Mittel, den Zug auf die Beine zu stellen. Dafür waren aber mehr Organisationen, Verbände, Schrebergärten oder Sportvereine im Zug vertreten. Sogar ein junger Löwe aus dem Löwenpark ist an der Leine als Mitglied einer Fußgruppe mitgelaufen. Ein Wagen ist mit viel Grün geschmückt worden. Ich würde mich freuen, wenn wir das wieder aktivieren könnten.
Sie haben nicht nur organisiert, sondern auch Wagen gebaut, oder?
Preißler: Das stimmt. Auch die Lok , die heute noch den Zug anführt, habe ich mit gebaut. Allerdings ist sie heute aus Isolierblech. Sie war früher aus Pappe und hatte sich durch viel Regen immer weiter verformt, so dass wir sie 1982 ausbessern mussten.
Waren die Narren meistens friedlich?
Preißler: Eigentlich immer. Sie haben ausgelassen, aber friedlich gefeiert. Es gab kleine Ausraster hier und da, wenn zu viel getrunken worden ist. Allerdings waren die Bewohner engagierter und schmückten ihre Hausfassaden. Die haben wir auch prämiiert. Ich fände es gut, wenn die Auszeichnung wieder eingeführt würde.
Früher kamen viele Kamelle aus der DDR. Sie wurden auch schon mal zurückgeworfen. Ist die Qualität heute besser?
Preißler: Es stimmt, früher war die Qualität der Fruchtbonbons nicht so gut. Die Vereine deckten sich selbstständig ein. Das Festkomitee kauft heute tonnenweise im Großhandel ein und achtet darauf, dass die Haltbarkeitsdaten nicht überschritten sind. Die Bonbons werden mit dem Lkw abgeholt, palettiert und an die Vereine verteilt.
Hat die Begeisterung und das Interesse der Menschen nachgelassen?
Preißler: Ich glaube schon. Die Bevölkerung ist stärker mit unterschiedlichen Nationalitäten vermischt. Nicht jeder interessiert sich für Karneval. Früher waren auch mehr Jecken auf den Straßen kostümiert. Vielleicht müssen wir noch stärker werben. Aber Köln werden wir leider nie sein.
Welche Ratschläge haben Sie für ihren Nachfolger?
Preißler: Ich werde ihn einweisen und ihm über meine Erfahrungen, zu denen sicherlich auch Fehler gehören, berichten. Er muss noch gewählt werden. Es wäre gut, wenn er wie auch ich ein Mitglied der Erler Funken wäre. Dann hat er ein Heimspiel. Wichtig ist, dass er Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt. Er trägt immer mehr Verantwortung, muss sich mit den Sicherheitsvorschriften vertraut machen, die immer strenger geworden sind. Schließlich muss er auch darauf achten, dass keine Partei, wie schon mal geschehen, den Rosenmontagszug zu politischen Aktionen nutzt.
Sind die Sicherheitsanforderungen übertrieben?
Preißler: Nach der Katastrophe bei der Loveparade hat sich vieles verändert. Früher gab es ein Merkblatt. Da wurde auf acht Seiten festgehalten, was beim Rosenmontagszug zu beachten ist. Heute ist das Sicherheitskonzept 50 Seiten dick, noch mal zehn mehr als im letzten Jahr.
Was werden Sie an Rosenmontag 2013 machen?
Preißler: Dann werde ich den Zug auf der Tribüne mal von oben herab ganz entspannt genießen.