Gelsenkirchen.

„Wie schlimm steht es um eine Gesellschaft, in der Kinder vorsorglich lernen, wie groß Hartz IV-Empfänger-Wohnungen sein dürfen?“ Taner Ünalgan schaut nachdenklich durch die dunkel gerandete Brille.

Ihn bewegt das Thema Gerechtigkeit. Genauer: Bildungsgerechtigkeit „Wir wollen, dass sozialer Hintergrund nicht entscheidend für den Schulabschluss ist. Das ist weder angemessen noch legitim.“

Wenn Ünalgan „wir“ sagt, dann meint er die jüngsten Vertreter der Jungsozialisten, die Juso-SchülerInnen-Gruppe. Taner Ünalgan ist 19 Jahre alt und auf dem Sprung, am Grillo-Gymnasium sein Abitur zu machen. In der SPD-Nachwuchsorganisation hat er selbst es schon zu etwas gebracht.

Ünalgan ist Bundeskoordinator der Juso-Schüler

Ünalgan ist Bundeskoordinator der Juso-Schüler und Mitglied im Juso-Bundesvorstand. Vor allem aber ist er Gelsenkirchener. Da liegt es nahe, das Thema Bildungsgerechtigkeit in der eigenen Schule zu diskutieren, wie unlängst geschehen.

Auf dem Podium hatte Ünalgan Experten neben sich, allen voran NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) und Gelsenkirchens Bildungsdezernent Dr. Manfred Beck. In seinem Impulsreferat schilderte der 19-Jährige, was die Juso-Schüler-Gruppe unter gerechter Bildung versteht. Das ist – kurz gesagt – absolute Chancengleichheit für alle Kinder und Jugendlichen. Unabhängig von der Herkunft und der finanziellen Ausstattung des Elternhauses, unabhängig davon, ob Schüler aus bildungsfernen Familien stammen. Ünalgan und seine Mitstreiter wünschen sich ein bundesweit einheitliches Bildungssystem mit einheitlichen Standards. Ein System, das mehr bietet als nur die Befähigung für das Berufsleben und mehr vermittelt, als Leistungsabfrage laut Lehrplan. Ein System mit individueller Förderung, in dem jungen Menschen Lebenskompetenz im weitesten Sinne erhalten und in dem Werteerziehung einen hohen Stellenwert hat.

Soziales Gefälle im Bildungswesen abschaffen

Daraus leiten die Juso-Schüler die aus ihrer Sicht einzig logische Konsequenz ab. „Wir wollen eine Gemeinschaftsschule, die inklusiv arbeitet“, sagt Taner Ünalgan. Anders gesprochen: Ein gegliedertes Schulsystem läuft aus Sicht der Juso-Schüler der geforderten Chancengleichheit zuwider. Die Nachwuchsorganisation hält eine Schulform für alle für das geeignete Mittel, um soziales Gefälle im Bildungswesen abzuschaffen. „Die Gemeinschaftsschule ist eine große Chance für das voneinander und nicht gegeneinander Lernen.“

Die jetzt in Düsseldorf auf den Weg gebrachte Sekundarschule sei zwar, so der 19-Jährige, „schon gut, ist aber nicht das, was wir uns vorstellen“. Und die Hauptschule, das sei ja inzwischen gesellschaftlicher Konsens, „ist zu einer Verliererschule geworden“. Was sich die jungen Jungsozialisten ferner wünschen, formuliert Pennäler Taner Ünalgan so: „Lehrer müssen mit Leidenschaft Lehrer sein.“ Pädagoge, das sei nicht irgendein, sondern der wichtigsten Berufe überhaupt.

Kritik am Notensystem von 1 bis 6

Zum Forderungskatalog auf dem Weg zu mehr Bildungsgerechtigkeit gehören ferner, wie Ünalgan auch während der Podiumsdiskussion sagte, absolute Gebührenfreiheit, individuelle Förderung – auch im Bereich eines muttersprachlichen Unterrichts – sowie „gelebte Demokratie zum Kennenlernen, Anfassen und Mitmachen“. Die Zahlen 1 bis 6 als Noten stoßen grundsätzlich auf die Kritik der Jung-Jusos. Sie seien nichtssagend und nicht objektiv. So würden laut einer Untersuchung zum Beispiel fünf verschiedene Lehrer die selbe Arbeit durchaus auch fünfmal unterschiedlich bewerten.

„Wir wollen Schulen, die zeigen, wie gemeinsames, gemeinschaftliches, freies, gerechtes, solidarisches, spannendes – eben modernes – Lernen funktionieren kann und sollte.“ Der engagierten Forderung stellte Ünalgan die Feststellung gegenüber: „Jahr für Jahr gehen hunderttausende Schüler und Studierende für bessere Bildung auf die Straßen.“ Und in jeder bildungspolitischen Studie, in jeder Umfrage könne sich die Bundesrepublik glücklich schätzen, „wenn sie im Mittelfeld landet“.