Essen. Die Sozialgerichte in NRW haben im vergangenen Jahr die zweithöchste Zahl an Hartz-IV-Klagen seit Einführung des Arbeitslosengelds II registriert. Vor allem Streit um Wohnungs-Kosten beschäftigten die Gerichte. Bundessozialgericht rügt NRW-Kommunen.

Ärger über Behörden-Entscheidungen haben den Sozialgerichten in NRW im vergangenen Jahr erneut viel Arbeit beschert. Insgesamt 28.040 Klagen in Bezug auf Hartz-IV-Leistungen waren zwischen Januar und Ende Dezember 2011 an den neun Sozialgerichten in NRW eingereicht worden. Das waren zwar gut 1160 Fälle weniger als im Jahr davor. Es handelt sich aber um den zweithöchsten Wert seit Einführung der Hartz-IV-Regelungen.

„Die Belastung der Gerichte ist fast gleichbleibend hoch“, sagt Martin Kühl, Richter und Pressesprecher am Landesarbeitsgericht Essen. Am Sozialgericht Dortmund wurden im Jahr 2011 zum Beispiel 5689 Klagen und Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz zur Grundsicherung für Arbeitsuchende („Hartz IV“) gezählt, 2010 waren es 6046, im Jahr 2009 noch 5563 Verfahren. Am Sozialgericht Duisburg wurden im vergangenen Jahr 5068 Verfahren eingereicht, im Jahr 2010 waren es laut Statistik 4959.

Bundessozialgericht rügt Kommunen bei Bemessung von Wohnungskosten

Grund für die Vielzahl an Klagen ist nach wie vor die „sehr komplexe Rechtslage“, erläutert Kühl. Immer wieder führten Klagen zudem dazu, dass Rechtsfragen höchstrichterliche Klärung verlangen.

So hat das Bundessozialgericht in Kassel im vergangenen Dezember die Stadt Duisburg aufgefordert, ein neues Konzept zur Bemessung der Wohnraumkosten für Hartz-IV-Empfänger vorzulegen. „Die bisherige Bemessung anhand einer Wohngeldtabelle ist nicht rechtens“, erklärt Manuela Müller, heißt es im Sozialgericht Duisburg. Auch die Stadt Bochum war nach einer Klage von Betroffenen vom Bundessozialgericht gerügt worden. Dort wurde die Bemessung der „Kosten für den Unterhalt“ anhand des örtlichen Mietspiegels als rechtlich nicht ausreichend zurückgewiesen.

Gerichte geben Hartz-IV-Klägern häufig Recht

An erster Stelle der Klagegründe stehen nach Auskunft aus dem Landessozialgericht Essen Auseinandersetzungen um die Höhe von Unterhaltskosten und Streit um Mietausgaben, meist verbunden mit der Aufforderung zum Umzug.

Als Behördenschelte will Kühl die Klage-Zahlen nicht interpretieren: „Oft sind die Verhältnisse sehr undurchsichtig und müssen erst langwierig im Prozess geklärt werden“. Dabei gehe es dann zum Beispiel um Fragen, wieviele Personen tatsächlich in einer Wohnung leben, wie hoch die angemessenen Heizkosten sind oder ob sich ein Arbeitslosengeld-Empfänger rechtzeitig beim Jobcenter gemeldet hat. „Bei großen Familien hat man schnell sieben oder acht Kläger; solche Situationen sind auch für die Behörden schwer in den Griff zu kriegen.“

Mit 40 Prozent Erfolgsquote entscheiden Gerichte in Hartz-IV-Verfahren im Vergleich mit anderen Sozialgerichtsverfahren auffallend häufig für die Kläger. Verfahren dauern, laut einer Statistik des Sozialgerichts Gelsenkirchen aus dem Jahr 2010 durchschnittlich 12,5 Monate, am Sozialgericht Duisburg zählte die Statistik 9,5 Monate Klagedauer.