Gelsenkirchen. Das Gelsenkirchener Jugendamt hat nach monatelanger Auseinandersetzung die Reißleine gezogen und Jessica Monika Stach das Sorgerecht für ihre drei Söhne entzogen. Die Mutter ist geistig behindert. Reinhard Fleischer, ein Freund der Familie, sieht Versäumnisse bei den Behörden. Ein Mensch dürfe nicht aufgegeben werden.
Seit Freitag ist für Jessica Monika Stach nichts mehr, wie es einmal war. Drei Söhne (fünf, vier und drei Jahre) hat die 27-Jährige. Nach monatelanger Auseinandersetzung hat das Jugendamt in der vergangenen Woche die Reißleine gezogen und Joel Maurice Benjamin, Marvin-Alexander und Lucas Mirko der elterlichen Sorge entzogen.
Verstört und weinend zeigt die Mutter Bilder ihrer drei Kinder. Sie kann die Entscheidung der Behörden nicht verstehen. Erst am Donnerstag habe es ein Gespräch mit der zuständigen Mitarbeiterin des Jugendamtes gegeben. „Es war nicht die Rede davon, dass Jessica die Kinder weggenommen werden. Viel mehr wurde sogar gesagt, dass diese Maßnahme noch weit weg sei“, sagt Reinhard Fleischer, ein Freund der Familie, der sie bei Behördengängen unterstützt.
Das Jugendamt sieht das anders. „Wir stehen seit langer Zeit in regelmäßigem Kontakt mit der Familie und natürlich war allen Beteiligten bekannt, dass wir auch diese Maßnahme in Betracht ziehen mussten. Unser Interesse liegt doch nicht darin, Kinder aus ihren Familien zu holen. Das kann immer nur das absolut letzte Mittel sein“, erklärt Jugendamtsleiter Alfons Wissmann.
"Sie ist geistig behindert und hatte in der Situation Angst, fühlte sich überfordert“
Dieser regelmäßige Kontakt sei dann aber abrupt am 21. Dezember abgebrochen. Das Jugendamt sah sich dann erst Recht genötigt, einzuschreiten. „Den ersten Antrag haben wir bereits im Oktober gestellt. Eine Anhörung hat es im November gegeben“, sagt Wissmann. Bestreiten wollen das die Stachs nicht, haben aber eine andere Erklärung dafür. „Jessica wurde Hilfe angeboten, aber auf einmal sah sie sich gleich fünf Menschen gegenüber. Sie ist geistig behindert und hatte in der Situation Angst, fühlte sich überfordert“, erklärt Fleischer.
Reinhard Fleischer, der Jessica Monika Stach schon seit Kindertagen kennt, sieht Versäumnisse bei den Behörden. „Einem Menschen, zumal einem, der behindert ist, muss ich viel mehr unter die Arme greifen. Und vor allem darf ich ihn nicht aufgeben. Da muss ich immer und immer wieder beginnen und Hilfe anbieten. Es ist nicht einfach, zu solchen Menschen ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.“
Auf Seiten der Stadt sieht man die Mittel ausgeschöpft. „Frau Stach haben wir alle erdenkliche Hilfe angeboten. 20 Wochenstunden Hilfe bekam sie bereits. Betreutes Wohnen und Sozialpädagogische Familienhilfe. Aber man wollte die Hilfe nicht und hat die Mitarbeiter einfach nicht mehr in die Wohnung gelassen“, sagt Wissmann.
Am Freitagmorgen dann entschied sich die Behörde, das letzte Mittel zu ergreifen. „Wir haben weitere Informationen eingeholt, die uns keine Wahl mehr ließen. Alle Verfahrensbeteiligten auf unserer Seite waren der Ansicht, dass es zwingend notwendig war, die Kinder aus der Situation zu holen. Auch, um ihnen eine andere Perspektive aufzuzeigen“, sagt Alfons Wissmann. Eine Chance, dass Jessica Monika Stach ihre Kinder wieder zu sich holen kann, sieht er derzeit nicht. „Sie müsste dem Gericht klar ersichtlich machen, dass sich die Kinder in ihrem direkten Umfeld gut entwickeln können“, so der Jugendamtsleiter.
Die Stachs haben eine Anwältin mit der Vertretung ihrer Interessen beauftragt. Den seelischen Schmerz der bitterlich weinenden Mutter, die sich an die Fotos ihrer Söhne klammert, kann die aber nicht lindern. Das können jetzt nur noch die verbliebenen Familienmitglieder.