Gelsenkirchen. .

Harry Frommermann aus Berlin-Friedenau hat Ende 1927 eine gleichermaßen grandiose wie betroffen machende Geschichte in Gang gesetzt: die Geschichte der legendären Comedian Harmonists.

Am 18. Dezember 1927 erschien Frommermanns kleine Anzeige im Berliner Lokal-Anzeiger, die als Geburtsstunde der weltweit ersten Boy-Group gilt: „Achtung. Selten. Tenor, Bass (Berufssänger, nicht über 25), sehr musikalisch, schönklingende Stimmen, für einzig dastehendes Ensemble unter Angabe der täglich verfügbaren Zeit gesucht. Ej. 25 Scherlfiliale, Friedrichstr. 136.“

Von der Gründung über den kometenhaften Aufstieg der A-capella-Gruppe bis zu deren Auflösung im Jahre 1935 reicht der Bogen jener bewegten Geschichte der sechs Gesangstalente, die als musikalisches Singspiel am Freitag, 13. Januar (20 Uhr) im Kleinen Haus des Musiktheaters im Revier (MiR) Premiere feiert. Grundlage ist das musikalische Schauspiel von Franz Wittenbrink und Gottfried Greiffenhagen, das 1997 über Aufstieg und Zerfall des Ensembles entstanden ist.

Durch das Schlüsselloch

Für Regisseurin Sandra Wissmann war und ist die Arbeit für „Die Comedian Harmonists“ ein großartiger Glücksfall, „weil mich das Thema seit meinem 13. Lebensjahr beschäftigt“. Die Gelsenkirchener Inszenierung verzichtet auf Showeffekte und Frauengeschichten, wie sie etwa in Joseph Vilsmaiers Film zur Würze beitragen. „Wir möchten dem Publikum einen Blick durch das Schlüsselloch auf Leben und Charaktere der Comedian Harmonists geben“, sagt Sandra Wissmann.

„Berührt, aber auch beglückt“, sollen die Menschen nach der Vorstellung nach Hause gehen. Berührt, weil die Beziehung der sechs Musiker untereinander auch Krisen aushalten musste. Berührt, weil die „Boy-Group“ nach der Machtübernahme durch die Nazis 1933 zusehends Probleme mit dem Terrorregime bekam. Der Grund: Harry Frommermann, Roman Cycowski und Erich Abraham Collin waren jüdischer Herkunft.

Der siebte Mann auf der Bühne schlüpft in 15 Rollen

Dem furiosen Aufstieg der Gruppe, die vor ausverkauften Hallen auftraten und begeisterten, folgte der Abstieg. Konzertabsagen, Auftrittsverbote für die Hälfte der Harmonists, Ausweichen ins Ausland. „Uns war es ganz wichtig, den historischen Kontext nicht aus den Augen zu verlieren“, betont die Regisseurin.

Um Zeitsprünge und Zeitgeist sichtbar zu machen, habe man sich für eine Bühnenform entschieden, die dieses Anliegen unterstütze. Alte Fotos und Plakate liegen bereit. Außerdem gibt es neben den singenden Darstellern – unter ihnen Askan Geisler als Erwin Bootz, der gleichzeitig für die musikalische Leitung verantwortlich zeichnet, noch Schauspieler Lutz Reichert. Als siebter Mann auf der Bühne führt er in 15 verschiedenen Rollen durch das Stück. Sandra Wissmann: „Wir wollten nicht den ganzen Abend sechs schwarze Flecken vor dem Vorhang.“

„Veronika“, „Der kleine grüne Kaktus“ und Co. gibt’s übrigens ab dem Premierentag im MiR für 7 Euro auch als CD.

Brunch entführt Sonntag in die Großstand der 20er Jahre

Traditionell bietet das Musiktheater im Revier dem Publikum vor großen Premieren beim gemütlichen Brunch die Gelegenheit, sich ein Bild über die Produktionen zu machen. Und die nächste Veranstaltung dieser Art am Sonntag, 8. Januar, könnte unter dem Motto „Brunchen in der Großstadt der 20er Jahre“ stehen: Der Musik- und Ballettbrunch, der um 11 Uhr beginnt, stellt „Die Comedian Harmonists“ und Bridget Breiners Ballettabend „Großstadt-Triptychon“, in den Mittelpunkt des Schmausens.

Eines können wir jetzt schon verraten: Live getanzt wird nicht, jedoch umso mehr gesungen. Alle sechs Jungs der „Harmonists“ sind mit von der Partie und bieten Lukullisches für Auge und Ohr. Aber Achtung: Es sind nur noch wenige Karten vorhanden (4097200).