Gelsenkirchen.

Ihrer schlimmsten Erzfeindin würde sie diesen Mann nicht wünschen. Diesen Mann, dem ihre Eltern sie vor acht Jahren anvertrauten. Den Vater ihrer drei Kinder. . .

Aysha (Name von der Redaktion geändert) hat den Alptraum, der in der Hochzeitsnacht begann, inzwischen äußerlich beendet, hat sich und ihre Kinder in Sicherheit gebracht. Bis ihre Seele diesen Horror verarbeitet haben wird – das braucht Zeit. Aber: „Allein aufzustehen und zu entscheiden, was ich anziehe, ob und wie ich mich schminke und wann ich einkaufen gehe, das ist ein gutes Gefühl“, sagt die 28-Jährige heute schon gelöst.

Schwiegermutter übernahm die Kontrolle

Acht Jahre war sie Opfer der „schwarzen Liebe“, wie man das, was sie ertragen hat, in der arabisch-muslimischen Welt nennt. Aysha wurde rund um die Uhr von ihrem misstrauischen Mann kontrolliert. Keine Telefonate mit ihren Eltern – geschweige denn ein Besuch bei ihrer Familie, keine Treffen mit Freundinnen, keine Arztbesuche, keine Teilnahme an Veranstaltungen für Eltern in Kindergarten oder Schule.

Stattdessen: Körperliche und sexuelle Gewalt, seelische Demütigungen, krankhafte Eifersucht. „Krank, einfach krank ist dieser Mann“, sagt Aysha immer wieder. Und die Schwiegermutter gleich mit. Wenn der Mann arbeiten war, übernahm sie die Kontrolle.

Mehr noch: „Wenn er mich geschlagen hatte, hat sie die Spuren in meinem Gesicht weggeschminkt.“ Spuren in einem hübschen Gesicht mit wachem, intelligentem Blick.

Kinder wurden Zeugen der Gewalt

Dabei war die junge Frau vor dieser arrangierten Ehe sogar verliebt in den Mann, den ihre Eltern ausgesucht hatten. Ihr Abitur hat sie noch gemacht, dann wurde geheiratet. Bis dahin sei alles gut gewesen. „Er hat mir alles erzählt, was ich hören wollte.“ Bis zur Hochzeitsnacht, als er zum ersten Mal, „als wenn er einen inneren Schalter umgelegt hätte“, gewalttätig wurde.

Sie verlor dabei ihre Unschuld, er begann sich schuldig zu machen. Immer und immer wieder. „Sogar während der Schwangerschaft hat er mich geschlagen. In der ersten ganz besonders.“ Aysha erzählt lebhaft, aber die schlimmsten Details behält sie für sich.

Was sie besonders schmerzt: Ihre Kinder wurden Zeugen der häuslichen Gewalt, erlebten die ständigen Demütigungen, die Schläge, sahen zu, wie ein Mann seine Frau misshandelt. . .

Hilfe im Schutz der Anonymität

Irgendwann im Frühjahr dieses Jahres hat sie es nicht mehr ausgehalten. Zu groß war die seelische und körperliche Belastung geworden. Und die Angst vor diesem Mann, der sich einfach nahm, was er wollte. Trotz permanenter Kontrolle durch Ehemann und Schwiegermutter hat sie es geschafft, der erzwungenen Isolation zu entkommen und sich den Aggressionen ihres Ehemannes zu entziehen.

Schon vor ihrer Flucht hatte Aysha Kontakt zur Frauenberatungsstelle in Gelsenkirchen aufgenommen, wo sie Rat und Hilfe im Schutz der Anonymität fand. Ebenso ihr Sohn, der jetzt ein Angebot der Beratungsstelle für Kinder besucht, die Zeugen häuslicher Gewalt geworden sind. Mit Hilfe der Beratungsstelle und starkem Willen hat die 28-Jährige auch die Ochsentour durch die Behörden angetreten.

In diesem Fall besonders hart, weil Aysha, um ihre Flucht geheim zu halten, keine Unterlagen bei sich hatte. Immerhin hat sie jetzt eine eigene Wohnung irgendwo im Ruhrgebiet – und geht optimistisch ihren Weg in ein selbstbestimmtes Leben. An Ayshas Seite: ihre Kinder. Auch sie sind jetzt dabei, die Schattenseiten ihres jungen Lebens zu verarbeiten und die schlimmen Szenen häuslicher Gewalt an ihrer Mutter zu vergessen.

NRW geht mit Plakat-Kampagne „Warnsignale“ in die Offensive

Anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen am heutigen Freitag wollen die Frauenberatungsstellen in NRW mit der Plakatkampagne „Warnsignale“ („Sprich nicht mit den Nachbarn!“, befiehlt der Mann in der kleinen Zeichnung auf dem Plakat mit drohend erhobener Hand seiner Frau) ein Zeichen zur Bekämpfung der Gewalt an Frauen und Mädchen setzen.

Einer Form der Gewalt, die zu den häufigsten Menschenrechtsverletzungen gehört. In einer Studie des Europarates heißt es gar, dass „häusliche Gewalt die Hauptursache für den Tod oder die Gesundheitsschädigung bei Frauen zwischen 16 und 44 Jahren ist und damit noch vor Krebs und Verkehrsunfällen rangiert“. In Deutschland ist laut Statistik jede vierte Frau im Verlauf ihres Lebens Opfer von Gewalt. Die Fallzahlen für das Jahr 2010 waren in NRW hoch wie nie.