Gelsenkirchen.
Der Maler und Bildhauer Günter Tollmann ist einer der bedeutendsten Maler und Bildhauer Gelsenkirchens, der die Kunst des 20. Jahrhunderts weit über die Region hinaus entscheidend mitgeprägt hat. Und dennoch geriet der 1990 im Alter von 64 Jahren verstorbene Künstler in den letzten Jahren ein wenig in Vergessenheit. Leider!
Das mag jetzt mit einem attraktiven Projekt ein Ende haben. Tollmanns Heimatstadt widmet ihrem großen Sohn eine umfassende Retrospektive, die am Sonntag im Kunstmuseum und in der Hauptstelle der Sparkasse eröffnet wird. Rund 150 Exponate, die meisten davon von privaten Leihgebern, dokumentieren das reiche, spannungsgeladene Oeuvre des Mannes, dessen Schaffen informelle, expressive Malerei und mobile Großplastiken ausmachen.
Umfassende Monografie
Auch wer Günter Tollmann nicht kennt, kennt doch sein Werk. Im Stadtbild ist es präsent, zum Beispiel vor dem Amtsgericht Buer oder vor dem Kunstmuseum. Und auch bei den Menschen, die Günter Tollmann einst kannten, ist er nicht vergessen.
Dazu zählt der Gelsenkirchener Architekt Rainer Norten, der als Schulfreund des Tollmann-Sohnes Michael in Haus und Werkstatt an der Emil-Zimmermann-Allee ein und aus ging: „Zuerst war ich der Freund des Sohnes, dann der Freund der Familie, dann ein Sammler von Günter Tollmanns Arbeiten.“ Und jetzt gab Norten nicht nur die Anregung zur Retrospektive anlässlich des 85. Geburtstages von Tollmann, er ist auch der Herausgeber einer umfassenden Monografie, die mit der Schau auf den Markt kommt.
Die Villa des Kunstmuseums an der Horster Straße zeigt mit rund 100 Bildern, Skulpturen und Modellen einen chronologischen Querschnitt vor allem durch das Spätwerk. Fotos von Dieter Grundmann zeigen den Künstler bei der Arbeit.
Beispiele aus unterschiedlichen Phasen
Wie seine Zeitgenossen widmete sich Tollmann Anfang der Fünfziger vor allem der informellen, der gestischen, der spontanen Malerei. Zu den frühen, aber höchst erfolgreichen Arbeiten gehört auch die in erdigen Farbverkrustungen, für die der Künstler 1965 den Kunstpreis der Stadt erhielt. Später fand der Maler zu weit ruhigeren Strukturen zurück.
Zu grauen Flächen zum Beispiel, von denen auch eine ganze Reihe im Museum zu sehen ist. „Visagen“ titelte Tollmann eine Serie von Bildern, auf denen Köpfe und Figuren im Gewirr von Farben und Formen zu erahnen sind.
Von Kollegen des Deutschen Künstlerbundes wurde Günter Tollmann, so erinnert sich Sohn Michael, schließlich zur Skulptur gedrängt. Die beiden Ausstellungshäuser dokumentieren dieses Schaffen mit schönen Beispielen aus unterschiedlichen Phasen. Mit frühen, farbig gespritzten Plastiken, mit herrlichen Königsköpfen aus Bronze, mit den bekannten, eleganten Edelstahlplastiken. Im Foyer der Sparkasse ist eine bewegliche Stahlskulptur aus der Recklinghäuser Kunsthalle zu sehen, im Museum eine gelb gestreiftes, wellenförmiges Wandobjekt mit dem augenzwinkernden Titel „Marilyn“.
Theologischer Hintergrund
Ende der 70er Jahre kehrte Tollmann zur Malerei zurück. Diese Phase stellt die Schau mit Beispielen aus der Serie „Haus Lüning“ und den Königsbildern dar. Ein goldglänzender Königskopf blickt auf einen Regenbogen, Zahlen schweben auf ein mystisch goldenen Fläche. Der Katalog zitiert Tollmann so: „Eigentlich fühle ich mich mehr wie ein Königskind. Denn ich hänge noch an der sicheren Schnur des Königs der Könige.“
Sohn Michael bestätigte, dass die Königsbilder einen theologischen Hintergrund haben: „Mein Vater war ein sehr gläubiger Mensch.“ Und ein Menschenfreund, der gerne einlud, bei dem Künstler wie Beuys und Uecker zu Gast waren. Ein disziplinierter Arbeiter: „Wenn er mit einem Bild begann, hatte er es vorher genau im Kopf.“ Günter Tollmann war ein nahezu bis zum letzten Atemzug produktiver Mensch: „Er hat noch eine Stunde bis vor seinem Tod gezeichnet.“