Gelsenkirchen. Die Konjunktur im Emscher-Lippe-Raum brummt, die Investitionsbereitschaft bleibt hoch. Doch Krisenszenarien machen Unternehmer skeptisch und Wirtschaftsprognosen schwierig.
Die lange Nacht beim EU-Gipfel in Brüssel zeigt am Morgen danach bereits Wirkung – im fernen Buer. IHK, Bänker und Unternehmer stellen im Sparkassenkomplex am Marktplatz die regionale Konjunkturumfrage für den ELIX, den Emscher-Lippe-Index vor.
Die Stimmungslage für den Spätsommer 2011 zeichnet der ELIX ab, 150 repräsentativ ausgewählte Unternehmen im Emscher-Lippe-Land wurden wieder befragt. Herein spielen aber auch die aktuellen Nachrichten zur Schuldenkrise. Es sind die Signale, auf die Experten gewartet haben. Ein wenig Entspannung hat der Gipfel gebracht. Und Zeit.. „Wir glauben, das Überwinden der europäischen Schuldenkrise ist derzeit das beste Konjunkturpaket, das gibt Vertrauen in die Märkte zurück. Die Unternehmen warten darauf, dass der Knoten ein Stück weit gelöst wird“, sagt Michael Hottinger, Konjunkturexperte und Vize-Geschäftsführer der S-Vermögensmanagement GmbH (SVM) Gelsenkirchen. Und: „Die Realwirtschaft ist auf gutem Niveau. Aber die Krise wird durch Krisengespräche zusätzlich genährt.“
Den ersten Teil der Aussage bestätigen die Fakten, auch wenn der Blick auf den Index gegenteiliges erwarten lässt. Der Wert ist nach anderthalb Jahren Aufwärtstrend vom Allzeithoch zu Jahresbeginn stark gefallen, von 131 rauscht er auf 105 Punkte runter. Der Absturz gemahnt an Anfang 2008. Damals ging es zum Beginn der Krise von 122 auf 101,4 Punkte runter, später gar auf 75,3 Punkte.
Doch die Zeiten, sind sich alle am Tisch einig, seien kaum vergleichbar. Die Wirtschaft sei solide aufgestellt – und vielfach gestärkt aus der Krise hervorgegangen. „Den Unternehmen geht es augenblicklich sehr gut, die Auftragsbücher sind gefüllt. Aber die Binnenkonjunktur wird pessimistischer beurteilt und die Unsicherheit in Bezug auf den Export, seit Jahren der wichtigste Wachstumsmotor auch in der Region, wächst“. Jeder achte Unternehmer erwarte rückläufige Auslandsgeschäfte, sagt Peter Schnepper, IHK-Geschäftsführer für Nord Westfalen.
Fachkräfte wurden in der Krise gehalten
Noch immer berichten über 90 Prozent der Unternehmer von einer guten oder zufriedenstellenden Geschäftslage. Doch sie spürten „jetzt eine deutliche Verunsicherung durch die Euro-Krise und andere Konjunkturrisiken“, meint SVM-Geschäftsführer Claus Cordt.
Doch ein deutliches Abschwungszenario? Kaum. Was in der Krise half, bewährt sich auch jetzt. Es wurde investiert, um die Produktivität zu steigern, Fachkräfte wurden gehalten, die Belegschaften blieben und bleiben stabil. „Wir haben schon Sorgen. Aber nicht wie 2008, da waren wir total verunsichert“, gesteht Georg Droste, dessen Unternehmen mit 40 Mitarbeitern international im hochwertigen Messe- und Innenausbau tätig ist. Auch Droste hat investiert. Vornehmlich in den Maschinenpark. Die Produktivität wurde deutlich gesteigert, Arbeitsabläufe des Gelsenkirchener Handwerksspezialisten wurden modifiziert, Fehlzeiten vermieden. Wie viele andere ist Droste wettbewerbsfähiger aus der letzten Krise gekommen. „Trotz einer Million Euro weniger Umsatz ist unser Gewinn fast gleich geblieben.“
Jedes vierte Unternehmen will auch künftig mehr investieren. Ein gutes Zeichen, findet SVM-geschäftsführer Cordt: „Die Wirtschaft der Emscher-Lippe-Region steht auf einer soliden Basis.“