Essen. Durch die Einigung beim EU-Gipfel zur Finanzkrise bekommt Griechenland durch Schuldenerlass Luft zum Atmen. Der Rettungsfonds wird deutlich ausgeweitet. Die wichtigsten Fragen und Antworten
Der Durchbruch gelang vor dem Morgengrauen: Am Donnerstag um vier Uhr früh verkündeten die europäischen Regierungschefs „einen Befreiungsschlag“, um die seit eineinhalb Jahren grassierenden Schuldenturbulenzen zu beenden. Die Finanzmärkte reagierten erleichtert.
Was bedeutet der Schuldenerlass für Griechenland?
Griechenland bekommt mit dem Schuldenerlass Luft. Er liefert zudem die Grundlage für das zweite europäische Notkredite-Paket. Das hätte unterm Strich ein Volumen von 115 Milliarden Euro. Griechenland soll dadurch seine Zahlungsverpflichtungen bis 2020 erfüllen können. Griechenland erhält die neue europäische Hilfe aber nur, wenn es weiter kräftig spart und seine Wirtschaft reformiert. Es wird ein „verstärktes Überwachungsregime geben“, sagte Kanzlerin Merkel.
Was bedeutet der Schuldenerlass für die Banken?
Die Banken verzichten auf 50 Prozent ihrer Forderungen. Das entspricht rund 100 Milliarden Euro. Auf die Finanzinstitute kommen weitere Belastungen zu, da sie einen höheren Risikopuffer anlegen müssen. Damit soll verhindert werden, dass Banken ins Wanken kommen. Die sogenannte Kernkapitalquote muss bis Mitte 2012 bei neun Prozent liegen. Dazu brauchen Europas Banken nach einer Schätzung der europäischen Bankenaufsicht etwa 106 Milliarden Euro. Deutsche Banken kommen „glimpflich“ davon. Sie müssen ihre Kapitaldecke mit 5,2 Milliarden Euro stärken. Deutlich mehr Geld brauchen Banken in Griechenland (30 Milliarden Euro), Spanien (26 Milliarden), Italien (14,8) und Frankreich (8,8).
Welche Rolle spielt der Euro-Rettungsfonds EFSF?
Der Rettungsfonds erhält mehr Schlagkraft. Künftig soll er bis zu 1000 Milliarden Euro für klamme Euro-Staaten mobilisieren können. Die Regierungen wollen globale Investoren, Banken und Hedgefonds damit beeindrucken und ihnen sagen: Lasst es sein, auf die Pleite eines Euro-Landes zu wetten – wir haben mehr Geld als ihr.
Kann die Strategie gelingen?
Möglicherweise. Wenn aber Italien, die drittgrößte Volkswirtschaft Europas, kein Geld mehr von Investoren bekommt, stieße auch der „Turbo-Fonds“ wohl an Grenzen.
Wie ist der Rettungsfonds konstruiert?
Durch das sogenannte Hebeln soll die Ausleihkapazität von 440 Milliarden Euro auf 1000 Milliarden Euro erhöht werden – durch zwei mögliche Varianten: Der EFSF wird eine Art Teilkaskoversicherung, oder es sollen Zweckgesellschaften geformt werden, deren Anleihen von privaten Geldgebern gezeichnet, aber in Teilen vom Rettungsfonds abgesichert werden. Auf 20 bis 25 Prozent soll sich die Absicherung in beiden Fällen belaufen. Sollte es zu einem Zahlungsausfall kommen, hätte der Investor bis zu einem Schuldenerlass von 20 oder 25 keine Verluste zu tragen.
Wer kommt als Investor infrage?
Brasilien, Russland, Indien, China und weitere Schwellenländer haben bereits im September Interesse gezeigt. Sie verfügen über Währungsreserven in Höhe von mehr als vier Billionen Dollar. Auch Staatsfonds aus Singapur oder den arabischen Staaten werden als mögliche Anleger genannt.
Wie ist es um das Risiko für die Verbraucher bestellt?
Die Kunden von deutschen Banken und Versicherungen haben kurzfristig nichts zu befürchten, sagen Verbandsvertreter. Aber: Das Problem der Schuldenkrise sei, „dass niemand das verbleibende Risiko einschätzen kann“, sagt Annabel Oelmann von der Verbraucherzentrale NRW.