Gelsenkirchen. .

Das gut erhaltende Schwarz-Weiß-Foto, das Hildegard Okrent (89) im Gemeindesaal der Gnadenkirche aus ihrer Handtasche holt, zeigt sie als schlankes blondes Mädchen am Tag ihrer Konfirmation vor 75 Jahren. Die schweren geflochtenen Zöpfe fallen ihr über die Schultern, das dunkle und langärmlige Kleid reicht ihr fast bis zu den Knöcheln. Darunter scheint sie eine Art schwarze Stulpen zu tragen. „Wir durften nichts Weißes anhaben, überhaupt nichts“, sagt die alte Dame.

Hildegard Okrent ist nicht alleine im Gemeindesaal in Schalke Nord. Mit ihr gemeinsam feiern am Sonntag 68 weitere Evangelische aus der Apostel-Kirchengemeinde ihre Jubiläumskonfirmation. Aber niemand ist schon so lange „dabei“, wie die 89-Jährige. „Ich habe gedacht, ich treffe hier noch ein paar andere aus meinem Jahrgang, aber es ist keiner hier.“ Zwar ist Hildegard Okrent nicht die einzige, die ihre Kronjuwelen-Konfirmation feiert, aber ihre einzige Mitkonfirmandin musste sich kurzfristig krankmelden.

Mit einem Gottesdienst in der Christuskirche in Bismarck beginnt das Treffen der Gold- (50 Jahre), Diamant- (60 Jahre) und Gnadenkonfirmanden (70). Anschließend geht’s zum Mittagessen und Kaffeetrinken ins Gemeindehaus an der Gnadenkirche in Schalke-Nord.

Harte Zeiten

Als Geschenk, daran erinnert sich Hildegard Okrent noch genau, hat sie 1936 „glänzenden Blusenstoff bekommen“. Außerdem ein Gesangbuch vom Arbeiterverein. Geld auch, „aber das werden nur ein paar Mark gewesen sein. Das waren harte Zeiten“.

Auch Hermann Sehr (75) hat Geld geschenkt bekommen. Von seinen 140 D-Mark hat er sich ein Fahrrad gekauft, genau wie Erwin Tonk (74). Die beiden gehören am Sonntag zu den Diamantkonfirmanden. Die Feiern hätten sich damals auf den Familienkreis beschenkt.

Häme und Schande

Hildegard Nitsch (77) erzählt, dass sie 1949 zu ihrer Konfirmation fünf D-Mark, einen selbst gebackenen Kuchen und eine Blume bekommen hat. „Hortensien waren damals üblich“, erinnert sie sich an ihre Konfirmation in der Bleckkirche. In der Nacht zuvor habe sie kein Auge zubekommen. „Wir mussten Psalme und Lieder auswendig lernen. Wer die nicht konnte, wurde zwar konfirmiert, aber nur unter Häme und Schande.“ Harte Zeiten...