Gelsenkirchen. .

Die Bibel ist im Angebot, klar, aber auch der Koran. Erbauliches türmt sich neben Krimis auf, Humorvolles neben Heimatkunde: Wenn Dorothee Voss ihren Bücherwagen packt, dann achtet sie auf Abwechslung. Denn ihr Lesepublikum ist so bunt gemischt wie der Büchermarkt. Dorothee Voss leitet die Bibliothek im Ückendorfer Marienhospital.

Geschmökert wird in diesen Urlaubstagen vor allem im Liegestuhl und auf dem Strandlaken. Lust aufs Lesen haben aber auch die Patienten, die während der Ferien das Bett hüten müssen.

Und sie lesen mehr denn je, zumindest im Marienhospital. Jährlich gibt die Bibliothekarin rund 15 000 Medien aus: „Das sind mehr als doppelt so viele wie im langjährigen Mittel der Jahre 2000 bis 2008.“

Run auf ein gutes Buch auch im Krankenhaus

Der Run auf ein gutes Buch zwischen Visite, Röntgentermin und OP spricht auch für das gut sortierte Angebot im Krankenhaus. Rund 6500 Medien füllen die Regale in der 50 Quadratmeter großen Bücherstube gleich im Erdgeschoss.

Aber auch derjenige, der nicht so gut zu Fuß ist, muss nicht unter akutem Literaturmangel leiden. An drei Nachmittagen rollt die 50-jährige Bibliothekarin mit ihrem Wägelchen über die Stationen, klopft an jedes Zimmer und bietet ihre Bücher feil. Ein Dienst, der oft und gerne angenommen wird.

Zumal die freundliche Velberterin nicht nur Bücherbotin ist, sondern auch Ratgeberin, Gesprächspartnerin, manchmal gar Psychologin: „Gerade der direkte Kontakt mit den Menschen macht besonders viel Freude.“

Bibliotheks-Chefin ist selbst ein Bücherwurm

Denn selbst eingefleischte Leseratten brauchen manchmal noch Tipps für neues Lesefutter: „Ich höre genau zu, was die Patienten gerne lesen, in welcher Stimmung sie gerade sind.“ Da die Bibliotheks-Chefin selbst erklärtermaßen ein Bücherwurm ist, kennt sie so manchen Buchinhalt aus dem Eff-Eff.

Bei den Frauen sind Liebesromane der Hit, bei den Männer dominiert die Nachfrage nach Krimis und Sachbüchern. Kinder lieben vor allem Spiele. Drei Mal im Jahr kauft Dorothee Voss neu ein, zumeist von jedem Buch ein Exemplar: „Nur das Buch von Hape Kerkeling hab ich gleich sieben Mal angeschafft.“ Und diese Exemplare sind dann auch ständig „mal weg“.

Auch echte Stammkunden werden betreut

Ein kleiner Kunde im Bademantel taucht in der Bibliothek auf. Er sucht nach Schmökerstoff. Voss: „Wie alt bist Du denn?“ „Zehn, aber ich möchte was für älter als Zehn!“ Kein Problem für die Bibliothekarin, der Kleine bekommt eine Kollektion mit.

Dorothee Voss betreut auch echte Stammkunden, Schmerzpatienten zum Beispiel, die regelmäßig ins Marienhospital kommen. Dass ein Hospital auch etwas mit Leid zu tun hat, geht an der Bibliothekarin nicht spurlos vorüber: „Da schluckt man schon, wenn ein Patient plötzlich nicht mehr da ist.“

Immer dabei auf der rollenden Bibliothek: ein Desinfektions-Spray. Jedes Buch wird nach dem Ankauf in Folie verpackt, die nach jeder Ausleihe wieder gereinigt wird. Hygiene gerade im Krankenhaus wird groß geschrieben.

„Das muss schon in eine katholische Bibliothek passen.“

Auf Station 4 wird Dorothee Voss schon erwartet. Patientin Erna Mrock sitzt an ihrem Tischchen und freut sich auf einen neuen Bestseller. Die Gelsenkirchenerin, die in wenigen Tagen ihren 79. Geburtstag feiert, freut sich über die rollende Bibliothek: „Ich lese vor allem historische Romane, Geschichte war schon in der Schule mein Lieblingsfach.“ Da hat sie auch gleich noch ein paar Tipps für die Fachfrau bereit.

Voss, geboren im Wallfahrtsort Kevelaer, arbeitet seit drei Jahren im Marienhospital. Nach dem Studium hat sie sowohl in wissenschaftlichen wie in öffentlichen Bibliotheken in Bonn, Düsseldorf und Velbert gearbeitet.

Die Aktualisierung des Büchereibestands ist im Krankenhaus eine von vielen attraktiven Aufgaben. Alles kauft Dorothee Voss natürlich nicht ein, was so auf dem Markt floriert, denn sie weiß: „Das muss schon in eine katholische Bibliothek passen.“ Charlotte Roches’ „Feuchtgebiete“ und „Schoßgebete“ zum Beispiel stehen im Marienhospital nicht im Regal.