Gelsenkirchen. Nach dem PCB-Skandal bei AGR in Gelsenkirchen-Resse sind die Anwohner verunsichert. Noch gibt es keine endgültigen Erkenntnisse, ob eine Gefahr für Anlieger und Mitarbeiter bestand oder noch besteht. Politiker und Bürger fordern schnelle Aufklärung.

Die Verunsicherung ist in jedem Gespräch zu spüren. Völlig egal, wen man an diesem Tag in der Eichkamp-Siedlung anspricht. Das LEG-Wohnquartier schmiegt sich an die Zentraldeponie der Abfallgesellschaft Ruhr – und für die AGR, deren Hauptsitz in Herten ist, ist seit Mittwoch nichts mehr wie zuvor.

Jogger genießen die Wintersonne, Radfahrer sind unterwegs, Spaziergänger mit ihren Hunden. Gleich nebenan beginnt die Resser Mark. Ein willkommener Ort der Entspannung. Normalerweise.

„Angst hat man schon“

Die hohe PCB-Belastung ist das Thema! Die Stilllegung des Zwischenlagers für Sonderabfälle. Klar habe sie das mitbekommen, sagt etwa Anja Poppel. „Mein Mann hat es in der WAZ gelesen heute Morgen und mir dann erzählt.“ Und ihre Gedanken? „Angst hat man schon“, sagt sie. Die Familie lebt an der Wiedehopfstraße mit Blick auf die AGR-Anlage, die auf der anderen Straßenseite liegt.

Hier ist das Zwischenlager angesiedelt, das in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist. Die Bezirksregierung Münster führte dort Anfang Februar eine Routinemessung durch. Eine Kontrolle nach dem Dortmunder Envio-Skandal.

Die genommenen Proben weisen zum Teil erschreckende Werte auf. Besonders belastet ist eine Materialprobe aus dem Arbeitsbereich, in dem Kondensatoren geöffnet werden: Der PCB-Gehalt beträgt 58 000 mg/kg (58 Gramm pro Kilogramm). Fegeproben an gleicher Stelle und in der Halle für die Behandlung anorganischer Abfälle überschreiten mit Konzentrationen von 9142 mg/kg und 195 mg/kg ebenfalls den zulässigen Grenzwert von 50 mg/kg. Nach außen, in die Luft, soll aber nichts gedrungen sein, auch nicht in die Sozialräume des Betriebes. Die Frage, die sich viele stellen: Ist das wirklich so?

Umgehende Untersuchung angekündigt

Klaus Giesen, Betriebsrat der AGR mbH, sagt: „Es gibt keine betrieblichen Kontrollmessungen.“ Die Dekra sei dafür zuständig. Es gebe regelmäßige Sicherheitsunterweisungen und jährliche Schulungen. Und: „Wir schreiben alle an, die in den letzten fünf Jahren im Zwischenlager gearbeitet haben. Das sind aktuell 20 Personen, dazu kommen 30 Ehemalige.“ Die umgehende Untersuchung hatte auch die Bezirksregierung angekündigt.

Für die Gelsenkirchener Stadtverwaltung kam die Entwicklung völlig überraschend. Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) ist am Mittwoch Nachmittag durch die AGR-Geschäftsführung informiert worden. Er fordert gegenüber dem Unternehmen eine vollständige Aufklärung des Vorfalls. Außerdem erwartet er eindeutige Aussagen darüber, ob es auch außerhalb der Anlage zu Belastungen gekommen sein kann. „Ich will wissen, ob und welche Gefahr für die Anlieger und die Beschäftigten von dem Zwischenlager ausgeht oder ausgegangen ist.“

„Es ist eine Hiobsbotschaft!“

Am Dienstag, 22. Februar, tagt der Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz, der das Thema auf die Tagesordnung gesetzt hat und umfassend informiert werden möchte – von der Bezirksregierung und der AGR.

Auch der Regionalverband Ruhr, Alleingesellschafter der AGR, meldet sich am Donnerstag zu Wort. Lothar Hegemann (CDU), stellvertretender Vorsitzender der Verbandsversammlung, will konkret wissen, wie es zu den Belastungen gekommen ist und wie sie zukünftig verhindert werden sollen. Auch die Kosten der Beseitigung sind für ihn von Interesse, da es sich ja um eine Tochtergesellschaft des RVR handele.

Am Ende bringt es der zuständige IG BCE-Bezirksleiter Karlheinz Auerhahn (Recklinghausen) im WAZ-Gespräch auf den Punkt: „Es ist eine Hiobsbotschaft!“