Gelsenkirchen. . Das Landesumweltamt hat stark erhöhte PCB-Werte bei der Abfallentsorgungs-Gesellschaft Ruhrgebiet ermittelt. Die Giftspitze lag fast um das 1200-fache über dem Grenzwert. Die Bezirksregierung legte den Betriebsteil still.

Gestern hat die Bezirksregierung Münster Teile des Sondermüll-Zwischenlagers der Abfallentsorgungs-Gesellschaft Ruhrgebiet in Gelsenkirchen-Resse stillgelegt – eine Folge dramatischer Verseuchungen. Besonders belastet: ein Arbeitsbereich, in dem PCB-haltige Kondensatoren geöffnet werden. Dort hafteten festgetretene Ölreste auf dem Fußboden. Das Landesumweltamt (LANUV) kratzte eine Probe ab. Erschreckendes Ergebnis: 58 325 Milligramm krebserregendes PCB pro Kilogramm. 58 Gramm! 50 Milligramm dürften es sein. Auch Fegeproben am Arbeitsplatz und in einer Halle für die Behandlung anorganischer Abfälle überschreiten die zulässigen Giftmengen. Die Konzentrationen lagen hier bei 9142 und 195 mg/kg.

PCB und Dioxine sickerten in den Untergrund

In der Halle wird so ziemlich alles verarbeitet, was hochgiftig ist. Die Arbeiter lassen PCB-haltiges Öl aus Kondensatoren und Transformatoren ab. Sie hantieren mit Batterien, Lacken, Farben. PCB, Arsen, Zink, Blei, Cadmium – „das übliche Geschäft“, sagt der Entsorgungschef. Bei der Entsorgung lege die Firma „höchsten Wert auf die Einhaltung aller Sicherheitsvorschriften und den Schutz ihrer Mitarbeiter“, betont er. So verfüge die Halle über „eine Lüftungsanlage mit entsprechendem Luftwechsel“, den Boden schütze eine „fugenlose Stahlwanne“.

Beides hatte der Dortmunder PCB-Entsorger Envio auch. Sogar Aktivkohlefilter, die giftige Stäube binden sollten. Doch sie wurden kaum gewechselt, waren gesättigt. Die Hallentore standen weit auf. Und die Stahlwannen in den Böden – sie hatten Risse. PCB und Dioxine sickerten in den Untergrund.

Die Tore der AGR-Lagerflächen seien bei laufendem Betrieb geöffnet, erklärt der Entsorgungschef auf Anfrage. Die Bereiche jedoch, in denen der Sondermüll bearbeitet werde, die seien geschlossen. Auch getrennt: in den giftigen Schwarzbereich und eine unkritische weiße Zone. Die Trennung der Einheiten habe stets „sehr gut funktioniert“.

Blutuntersuchungen bei Mitarbeitern

8000 Tonnen Giftmüll pro Jahr würden angenommen, getrennt, verpackt und zur Entsorgung weitergereicht. Es gebe „derzeit keine Hinweise darauf, dass die PCB-Belastungen aus der Halle in die Sozial- und Umkleideräume weitergetragen“ wurden, betonen die Überwachungsbehörde in Münster und der Abfallentsorger beinahe wortgleich.

Die Hallen sollen jetzt gereinigt, Fegestäube und ölige Bodenanhaftungen als Sondermüll entsorgt werden. Blutuntersuchungen bei den Mitarbeitern folgen – sowohl bei den aktuell Beschäftigten, wie bei früheren Arbeitnehmern. Die Ergebnisse würden „frühestens in drei Wochen vorliegen“, heißt es.

Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) unterrichtete gestern Nachmittag den Umweltausschuss des Landtages über den neuen PCB-Skandal. Er schließt eine Giftbelastung von AGR-Beschäftigten nicht aus. „Eine akute Gefährdung der Nachbarschaft geht nach jetzigem Stand nicht von der Anlage aus“, glaubt Remmel. Weiter Überprüfungen stünden jedoch an.

Die AGR-Unternehmensgruppe repräsentiert einen Jahresumsatz von 150 Millionen Euro. Sie ist eine 100-prozentige Tochter des Regionalverbandes Ruhr (RVR). Aus dem 4000 Quadratmeter große Zwischenlager in Gelsenkirchen geht der größte Teil des Sondermülls in die Verbrennung nach Herten.