Gelsenkirchen. Die EM 2024, ein Event der Superlative: Dass die Spiele und das Drumherum reibungslos laufen, dafür wollen auch diese Gelsenkirchener sorgen.
Ohne sie würde es nicht funktionieren: Ohne all die Freiwilligen, die sich ab Mitte Juni als EM-Volunteers in der gesamten Republik engagieren. Groß angelegt ist das Programm der UEFA, insgesamt wurden in den vergangenen Monaten 16.000 Ehrenamtliche gesucht und freilich auch gefunden. In Gelsenkirchen hat sich die AWO ebenfalls an der Suche beteiligt – die Resonanz: positiv und vor allem vielfältig. Knapp 250 Menschen kamen im vergangenen Herbst zu einer Info-Veranstaltung des Wohlfahrtsverbands, am gleichen Tag meldeten sich direkt über 100 von ihnen an. Wir stellen fünf von ihnen vor, sie könnten unterschiedlicher nicht sein.
Jens Olffers, Gelsenkirchen-Altstadt: Wenn man ihn fragt, warum er sich ausgerechnet bei der EM im eigenen Land, in seiner Heimatstadt engagieren möchte, und sich nicht nur aufs Gucken der Spiele fokussiert, wirft er erstmal einen Blick zurück. „Es sind die Erinnerungen an die WM 2006, da war alles so freundschaftlich, so locker“, es sei einfach eine ganz besondere Atmosphäre gewesen. Und 2024 wollte Jens Olffers genau das aktiv miterleben und eben auch mitwirken, sagt er.
Der 52-Jährige sitzt im Rollstuhl, hat eine spastische Lähmung von Geburt an. Als Mensch mit Handicap teilnehmen zu können an dieser Europameisterschaft, als Freiwilliger ehrenamtlich, das mache ihn glücklich. Politisch als sachkundiger Bürger in den Reihen der Grünen und als Mitglied im Beirat für Menschen mit Behinderungen aktiv, nutzt er den Pressetermin auch, um Kritik zu üben – an der Barrierefreiheit Gelsenkirchens im Allgemeinen und im Speziellen: Aufzüge seien dauerhaft kaputt, beklagt Olffers, barrierefreie WCs oftmals nicht nutzbar. Auch im Zuge der Vorbereitungen für die EM habe sich nicht viel geändert. „Wir kriegen Gäste aus ganz Europa und man es einfach nicht in den Griff, dass etwas dauerhaft funktioniert“, findet er.
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Ab von der Kritik: Jens Olffers wird als EM-Volunteer eingesetzt werden an einem Ort, den er als glühender Schalke- und Fußballfan besonders liebt – im und am Stadion. „Ich darf die Tickets kontrollieren“, erklärt er. An allen EM-Spieltagen in der Emscherstadt wird er im Einsatz sein. Ob er sich freut? Jens Olffers antwortet sofort mit einem begeisterten „Ja!“
Erman Seckin, Gelsenkirchen-Feldmark: „Wann erlebt man so etwas in Gelsenkirchen jemals wieder?“, fragt der junge Mann, der extra für heute schon einmal seine Volunteer-Uniform übergezogen hat. Die ist übrigens ziemlich hochwertig, mehrteilig und vom offiziellen EM-Sponsor Adidas, bestehend etwa aus einem Shirt, mehreren Hosen, einem Rucksack, wie Erman Seckin berichtet. Doch zunächst geht es ja um seine Motivation: „Ich kann mir das nicht entgehen lassen“, habe er sich gesagt, als es um die Frage ging, sich aktiv an der Gestaltung des Turniers in seiner Heimatstadt zu beteiligen.
Der 26-Jährige hat einen Master in Psychologie, arbeitet aktuell in einer der hiesigen Notunterkünfte für Geflüchtete und wird wohl einen der begehrtesten Freiwilligen-Jobs überhaupt erledigen: Erman Seckin ist für die Akkreditierung eingeteilt. Bedeutet: An ihm müssen alle vorbei, er ist so gesehen der erste Anlaufpunkt für all die, die einen Zugang zu bestimmten Bereichen in der Arena erhalten. Die Schiedsrichter, die Offiziellen, die Vertreterinnen und Vertreter der Medien, Dienstleisterinnen und Dienstleister, Sponsoren und: die Spieler der Nationalmannschaften. Darauf freut er sich besonders.
Und noch etwas ist für ihn bedeutend, es hat mit dem freiwilligen Engagement zu tun: Während seiner Arbeit mit den Geflüchteten habe er oftmals festgestellt, dass sich viele von ihnen gerne ehrenamtlich engagieren möchten. „Das ist für viele sehr wichtig“ – Erman Seckin konnte die ersten Ehrenamtssuchenden bereits vermitteln.
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Valentina Samoila, Gelsenkirchen-Resse: Die junge Mutter kam vor vier Jahren aus der Republik Moldau nach Deutschland, sie sagt: „Von Anfang an war es sehr schwer für mich.“ Sie macht einen Deutsch-Kurs, nutzt die Angebote der AWO-Beratungsstellen, eigentlich sei sie von Beruf Stadtbeamtin. „Ich habe immer diese Angst wegen der deutschen Sprache“, erklärt sie sich – ihr EM-Volunteering ist dann vielleicht auch so etwas wie eine Mutprobe. Die 27-Jährige wird in der Fanzone am Nordsternpark – dem laut UEFA wichtigsten Bereich während der EM – eingesetzt sein. Ihre Aufgabe: Die vielen nationalen und internationalen Fans willkommen zu heißen, sie zu informieren, Unterstützung zu leisten, wo immer Hilfe benötigt wird. Laut UEFA sollen die Volunteers in der Fanzone „die sichtbaren Gesichter der Gastgeberstadt sein“.
Ganz nebenbei tut Valentina Samoila auch noch etwas für sich, indem sie weiter die deutsche (und sicher auch englische) Sprache üben kann. Das ist aber auch ihr Antrieb: „Ich kann dieser Stadt so etwas zurückgeben. Gelsenkirchen hat mich gut aufgenommen, meine Tochter hat hier einen Kita-Platz bekommen, bald geht sie in die Grundschule.“
Andrea Weichert, Gelsenkirchen-Buer: „Ich gehöre zu den Exoten, die erstmal nicht bei der EM in der Stadt sind“, berichtet die 59-Jährige. Ein Urlaub kommt dazwischen, eigentlich ist es eher ein Familienbesuch, denn ihr Sohn arbeitet derzeit im Ausland. Aber auch aus der Ferne will sie teilnehmen, ab Ende Juni dann wieder etwas näher, wenn der Urlaub zu Ende ist.
Ihre Beteiligung ist gerade in den ersten Wochen der EM trotz Abwesenheit seh-, und erlebbar: Andrea Weichert hatte zunächst von der AWO-Suche nach Freiwilligen erfahren und schnell kam der Geschäftsführerin des SSV Buer 07/28 die Inklusionsmannschaft ihres Vereins in den Sinn. Einige Spieler aus der Mannschaft waren schnell gefunden – sie sind nun Teil des offiziellen EM-Volunteer-Teams in Gelsenkirchen, werden wie Valentina Samoila in den Fanzonen im Einsatz sein. Für Andrea Weichert seien all die Ehrenamtler der „12. Mann“ und die EM eine weitere Möglichkeit, Integration und Inklusion noch einmal weiter voranzutreiben.
Andreea Chelu, Gelsenkirchen-Erle: „Ich bin richtig stolz, dass wir so viele Menschen erreicht haben“, findet die 32-Jährige, die schon seit 15 Jahren – damals noch in ihrem Heimatland Rumänien – Erfahrung im Ehrenamt sammeln konnte. Als sie von der Idee der EM-Volunteers bei der Veranstaltung der Awo erfuhr, habe sie von Anfang an gewusst, wie wertvoll eine solche Erfahrung sein kann, berichtet Andreea Chelu auch.
„Ich freue mich nun sehr, dass ich im Ticketing-Bereich arbeiten kann und dass ich überhaupt dabei sein darf“, sagt sie. Mit Vorfreude schaut sie nun auch auf die vielen Begegnungen, die sie während des Turniers wohl haben wird. Einen Kollegen hat sie an diesem Tag schon kennengelernt: Jens Olffers. Und es werden mit Sicherheit noch eine ganze Menge Menschen mehr hinzukommen.