Gelsenkirchen. Ein Fest soll die EM in Gelsenkirchen werden. Beim Thema Sicherheit bleiben die Aussagen vage. Trotz eines Hochrisikospieles.
Vier EM-Spiele finden in Gelsenkirchen statt: England – Serbien (16. Juni), Italien – Spanien (20. Juni), Portugal – Playoff C (26. Juni) und ein Achtelfinale (30. Juni). Groß die Vorfreude auf ein tolles Fußballfest, Hunderttausende Besucher werden erwartet. Groß und herausfordernd wird aber auch der Kraftakt für Sicherheitskräfte. Die Gelsenkirchener Polizei stufte die Arbeit, die auf sie zukommt, bereits als „brutal hart“ ein.
Anschlagsgefahr: NRW-Innenminister Herbert Reul zählt EM zu den weichen Zielen
Bei der Vorstellung des Veranstaltungsprogramms bleiben Oberbürgermeisterin Karin Welge und ihr EM-Büroleiter Wilhelm Weßels hinsichtlich des Sicherheitskonzepts für die Fußball-Euromeisterschaft aber eher vage. Immerhin steht zumindest mit der Partie England gegen Serbien (20. Juni) ein Hochrisikospiel gesichert auf dem Plan. Erwartet werden etwa 40.000 Anhänger der „Three Lions“. Zwar gibt es Weßels zufolge „zwei Sicherheitsringe“ rund um die Veranstaltungsorte im Nordsternpark. Und auch die Arena auf Schalke wird mit einem Zaun im Radius von mehreren Hundert Metern um das Stadion abgeriegelt. Zutritt nur mit entsprechender Berechtigung. Das hatte die Polizei bereits früh im Vorfeld des Turniers bekannt gegeben.
Wie jedoch dafür gesorgt wird, dass sich rivalisierende Fangruppen an den beiden „Fan Meeting Points“ auf dem Heinrich-König-Platz oder auf der Domplatte (Kapazität: jeweils 5000) rund um Sankt Urbanus nicht in die Haare kriegen, ließ Weßels weitgehend offen. Für die Polizei sind die serbischen Anhänger bekanntermaßen eine „Black Box“, sprich eine Wundertüte, die auch unliebsame Überraschungen beinhalten könnte. Die Möglichkeit, dass auch die Niederlande mit ihrer „Elftal“ und reichlich Anhängern in Gelsenkirchen aufschlagen, macht das Risikopotenzial rund um die EM-Partien in Gelsenkirchen nicht eben geringer.
Das Dilemma: Gelsenkirchen will sich wie die anderen EM-Austragungsorte auch als „weltoffene, kulturell vielfältige, bunte Stadt“ präsentieren, wie Karin Welge und Wilhelm Weßels betonen. Da wirkten Zäune, Detektoren, Taschenkontrollen und Massen von Sicherheitskräften kontraproduktiv. Gleichwohl stufen Innenminister Herbert Reul (CDU) und Bundesinnenministerin Nancy Faser (SPD) das Risiko von Anschlägen als hoch ein.
„Für die Sicherheitsbehörden wird das kein Spaziergang sein. Vor allem angesichts der angespannten Lage. Der Ukraine-Krieg und der Terror-Angriff der Hamas auf Israel spielen dabei eine Rolle“, sagte Reul jüngst noch im Innenausschuss des NRW-Landtags. Im Fokus habe man vor allem die Terrorgruppe Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK). Der afghanische IS-Ableger gilt als aktivster Arm des Islamischen Staats in Europa und soll zuletzt etwa einen Anschlag auf den Kölner Dom an Silvester geplant haben. „Der ISPK versucht Einzeltäter und Gruppen zu rekrutieren, um sie gegen weiche Ziele einzusetzen.“ Ein Sportereignis wie die EM zähle zu so einer Kategorie, sagte Reul.
Sicherheit bei den EM-Partien in Gelsenkirchen: Hoffnung ist mit im Spiel
Weßels Hoffnungen auf ein friedliches Fußballfest ruhen unter anderem auf der Annahme, dass sich „die Engländer als nächster EM-Gastgeber keine Blöße geben wollen“, sich demnach brav und gesittet benehmen werden. Weßels setzt zudem auf die „intensive Zusammenarbeit im Vorfeld mit den Fußballverbänden sowie den Fan-Organisationen“. Dazu sollen Fan-Apps und 1300 Helfer („Volunteers“) beitragen, dass die Massen an Fußball-Anhängern, von denen die meisten friedlich seien, in Gelsenkirchen in die richtige Richtung gelenkt werden. Ob so die Trennung gewaltbereiter Gruppen gewährleistet ist – die Antwort darauf fehlt.
Natürlich befindet sich auch die Polizei seit Langem im engen Austausch mit den szenekundigen Kolleginnen und Kollegen in den ausländischen Behörden und sorgt vor, wie OB Karin Welge betont. Details seien aber Geheimsache. Der gegenseitige Informationsaustausch, ähnlich wie bei Bundesligapartien, dient dazu, potenziellen Randalierern die Möglichkeit zu nehmen, in der breiten Masse unterzutauchen. Bei großen Turnieren sind die Besucherströme, die sich in die Stadt, ins Stadion und auf die Veranstaltungsflächen ergießen, insgesamt allerdings wesentlich größer und bunter gemischt. Darunter schwarze Schafe herauszupicken, gleicht der Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen.
Verstärkung erhalten die örtlichen Polizeibehörden zur EM von den 14 Bereitschaftspolizei-Standorten, zusätzliche Einheiten stoßen darüber hinaus auch „aus Bochum, Recklinghausen oder Münster“ in die Emscherstadt. Dennoch bleiben Heinrich-König-Platz und Domplatte in Gelsenkirchen neuralgische, weil frei zugängliche Orte.