Gelsenkirchen. „Was ich anhatte...“ ist der Titel der aufwühlenden Schau, die bald nach Gelsenkirchen kommt. Sie zeigt: Die Kleidung von vergewaltigten Frauen.
An einem zarten Bügel wird bald auch schon in Gelsenkirchen dieses eine Nachthemd hängen, aus hellblauem Stoff, es geht wohl bis zu den Knien, darauf dunkelblaue, kleine Blumen, die Nähte mit weißer Spitze abgesetzt, bis zur Mitte der Brust reicht eine Knopfleiste. Es wirkt so unschuldig, so unantastbar, so heil. Und doch: Als eine Frau genau dieses Nachthemd trug, wurde sie vergewaltigt.
Zutiefst bewegend: Ausstellung über sexualisierte Gewalt bald in Gelsenkirchen
Es sind – eingeschlossen das oben genannte Beispiel – Geschichten von insgesamt zwölf Menschen, die einen oder mehrere sexuelle Übergriffe erlebt haben, nicht mehr schweigen, die Frage nach der Mitschuld nicht länger ertragen wollen – und die zeigen: Sexualisierte Gewalt gegenüber und an Frauen ist weder abhängig von einer Altersgruppe, noch von der sozialen Schicht und vor allem nicht von der Kleidung. Die viel beachtete und zutiefst bewegende Ausstellung „Was ich anhatte...“ macht genau diese Punkte greifbar und real – auf Einladung der Awo Frauenberatungsstelle Gelsenkirchen/Bottrop wird sie ab dem 19. Juli in Gelsenkirchen, im Begegnungszentrum der Awo an der Grenzstraße 47, zu sehen sein.
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Im Kern geht es um die Frage: Welche Rolle spielt die Kleidung einer Frau, die vergewaltigt wurde? Genau diese Frage der Künstlerin und Autorin Beatrix Wilmes gestellt, antwortete sie einmal mit nur einem Wort: „Keine!“ Die Kuratorin der Ausstellung findet, dass das Outfit einer Frau niemals Rechtfertigung für sexuelle Übergriffe sein darf. Die Haltung ist klar: Gründe für eine Mitschuld der Frauen, hervorgerufen etwa durch Kleidung, durch das Aussehen oder das Verhalten, es gibt sie nicht – es geht nicht um Sex, weil der Mann vielleicht nicht widerstehen konnte, sondern um die pure Unterdrückung.
Die Täter: Freunde, Arbeitskollegen, in einem Fall der eigene Großvater
Die Täter sind Freunde, Arbeitskollegen, in einem Fall der eigene Großvater, der seine Enkelin über Jahre hinweg missbraucht hatte. Die Menschen, denen die Gewalt angetan wurde, sie sind oftmals schwer traumatisiert. Auf der Homepage der Wanderausstellung, die schon in so vielen Städten bundesweit gastierte, ist zu lesen: „Sexualisierte Gewalt findet überall um uns herum statt. Wir wollen die Augen nicht mehr verschließen, sondern darüber reden, Lösungen finden und das Thema aus der Tabuzone holen.“
Die Ausstellung kommt zunächst bewusst leise daher, es folgt kein sensationssüchtiger Blick auf die Tat, sondern eine „vielschichtige Installation persönlicher Kleidungsstücke und Aussagen entschlossener Frauen“, heißt es weitere auf der Homepage der Ausstellung. Die Schau entfaltet ihre Wirkung mit der Zeit – und dann aber mit voller Wucht.
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Die Leiterin der Awo-Frauenberatungsstelle, Hüriyet Yilmaz, ist froh darüber, dass „Was ich anhatte...“ nun auch nach Gelsenkirchen kommt. Sie hatte bereits die Möglichkeit, die Ausstellung an einem anderen Ort kennenzulernen und zeigt sich auch eine Zeit danach im Gespräch mit der Redaktion noch tief beeindruckt. „Das Gesehene wirkt nach und hat mich sehr bewegt“, so Hüriyet Yilmaz.
Ausstellung ist vom 19. Juli bis 2. August in Gelsenkirchen zu sehen
Im Vorfeld erklärt sie aber auch: „Da die Ausstellung negative Gefühle bei den Betrachtenden auslösen kann, insbesondere, wenn bereits eigene Erfahrungen mit körperlicher oder sexualisierter Gewalt gemacht wurden, wird eine intensive und umfangreiche Nachbetreuung durch die Fachkräfte der AWO Frauenberatungsstelle angeboten.“ Zudem hätten alle Gäste auch die Möglichkeit, ihre Gedanken/Gefühle anonym in den bereitgestellten Gästebuch einzutragen.
Die Ausstellung macht für zwei Wochen Station in der Stadt, zu sehen ist sie bis zum 2. August, immer montags bis freitags, in der Zeit von 16 bis 19 Uhr. Gruppenbuchungen werden ab sofort per E-Mail an Frauenberatungsstelle@awo-gelsenkirchen.de oder telefonisch unter 0209 361636 - 91 oder 0209 361636 - 92 entgegengenommen. Der Besuch der Ausstellung ist kostenlos und für alle, auch Einzelpersonen, möglich.