Gelsenkirchen. Werden Frauen im Nachtleben bedrängt und (sexuell) belästigt, stehen sie dem oft schutzlos gegenüber. Was in Gelsenkirchen bald helfen soll.
Susanne will heute Abend ausgehen, feiern, das Leben genießen. Susanne ist um die 20, eine junge attraktive Frau, aber nicht auf der Suche nach einer Bekanntschaft. Doch dann trifft sie in einer Gelsenkirchener Bar einen Mann, die beiden sind sich gleich sympathisch, kommen ins Gespräch. Doch nach einiger Zeit beschleicht Susanne dieses klebrige Gefühl. Ihr Gegenüber wird zudringlich, überschreitet Grenzen, will mehr als sie. Für Susanne eine unangenehme Situation, aus der sie nicht so einfach herauskommt und doch so dringend herauswill.
Sexueller Übergriff? Hier finden Frauen besonderen Schutz in Gelsenkirchen
Susanne ist fiktiv, aber ihre frei erfundene Geschichte kann als Blaupause für viele andere Frauen-Erlebnisse im Nachtleben dienen, nicht nur in Gelsenkirchen. Es ist dieses Ausgeliefertsein, dieses Gefühl der Ohnmacht – genau da setzt ein Projekt an, dass Mädchen und Frauen bei und vor sexualisierten Übergriffen und sexualisierter Gewalt schützen soll und in Gelsenkirchen jetzt neu aufgelegt wird.
Worum geht’s? „Luisa ist hier!“ ist ein Hilfsangebot für Frauen in der Partyszene, die aus einer unangenehmen Situation herauskommen wollen, es aber aus den mannigfaltigsten Gründen nicht schaffen - so wie in der beispielhaften Erzählung von Susanne. Mit der einfachen Frage „Ist Luisa hier?“ können sich Frauen dann an das Personal des jeweiligen Lokals beziehungsweise Betriebs wenden und bekommen sofort und diskret Hilfe. Dass es das Angebot an den jeweiligen Punkten gibt, darauf sollen spezielle Plakate in den Damentoiletten und auch an den Fenstern hinweisen.
Federführend für die Umsetzung hier ist die Frauenberatungsstelle Gelsenkirchen, seit Anfang des Jahres in Trägerschaft der Arbeiterwohlfahrt (Awo). Beraterin Ela Denig und ihre Kolleginnen sind derzeit noch dabei, die Lokalitäten südlich und nördlich des Kanals anzusprechen und auf das Projekt und eine mögliche Beteiligung aufmerksam zu machen. Über 100 Betriebe seien das, eine große Aufgabe. Bis Ende des Jahres sollen alle mindestens einmal angeschrieben worden sein.
„Ist Luisa hier?“ – eine einfache Frage schützt vor sexueller Belästigung und Übergriffen
Das Personal aller beteiligten Lokale bekommt eine knapp einstündige Schulung, während der vermittelt wird, wie man den Frauen Hilfe anbieten kann oder was man sie in der einen bestimmten Situation fragen sollte. „Das Ziel ist, dass jede Frau das irgendwann überall kennt“, erklärt Ela Denig. Schon jetzt sei „Luisa“ ein Projekt, das viele total interessant und gut finden würden, berichtet Denig.
Eines der Lokale, die sich bei der Frauenberatungsstelle bereits zurückgemeldet haben, ist die „Rosi“ an der Weberstraße. Für Nadine Heckner und Benedikt Zisch, die Betreiber der Rosi, war sofort klar und „ganz wichtig“, dass sie sich beteiligen werden. „Die Rosi ist ein Ort der Vielfältigkeit und der Sicherheit“, erklärt Benedikt Zisch die Motivation, bei dem Projekt mitzumachen. „Generell gilt für uns: Wir helfen grundsätzlich jedem“, erklärt Nadine Heckner. Leider sei es nun auch so, dass gerade Frauen immer noch mehr geholfen werden muss, dass sie mehr Ziel zu sein scheinen, „was sehr bedauerlich ist“.
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Einer guten Umsetzung von „Luisa ist hier!“ speziell in der Rosi sei sicherlich auch die zentrale Lage in der City dienlich, meinen Heckner und Zisch. Denn es geht ja nicht nur um die weiblichen Gäste des Lokals, sondern auch um die Frauen und Mädchen, die im Umfeld der Rosi unterwegs sind, sich nicht sicher fühlen und gerne Schutz hätten.
2016 in Münster an den Start gegangen
Die Kampagne „Luisa ist hier!“ wurde von der Beratungsstelle Frauen-Notruf Münster entwickelt und ist im Dezember 2016 in Münster an den Start gegangen.
In Städten wie Bochum, Essen, Recklinghausen, aber auch in vielen anderen deutschen Städten ist „Luisa“ bereits in der Szene etabliert, sogar in der Schweiz gibt es mit Luzern, Winterthur und Zürich Städte, die das Konzept ausgerollt haben.
Generell, findet Ela Denig, sei man sensibler geworden, wenn es um die Themen Übergriffigkeit und Belästigung gehe. „In der Vergangenheit sind Frauen nicht laut geworden“, vermutet Ela Denig, einen Grund, warum es nun mehr Aufmerksamkeit gibt. Und sie nennt einen weiteren Grund: „Vielleicht ist es auch der Punkt, dass Frauen ihre Grenzen mehr gewahrt haben möchten.“