Gelsenkirchen-Schalke. Die Stiftung Schalker Markt macht dem Club zum 120. Geburtstag die virtuelle App „Schalke erleben“ zum Geschenk. Das soll EM-Touristen locken.

Dieses Gesicht kennt man am Emscherstrand, selbst wenn man nie im Tabakladen am Schalker Markt war, meist in Schwarz-Weiß und „von damals“. Ernst Kuzorra hat einen Stammplatz im Vereinslokal „Bosch“ an der Glückauf-Kampfbahn und im Herzen vieler Fußballfans. So aber haben sie ihn wohl noch nie gesehen. Geradezu jugendlich und in Farbe - wie echt steht er vor dem Schalke-Schriftzug am Grillo-Platz. Schnell ein Foto? Kein Problem.

Denn im 21. Jahrhundert, vor allem aber zum 120. Geburtstag des FC Schalke 04 und rechtzeitig zur Europameisterschaft, nimmt Kuzorra wieder Form an. Digital, als Avatar, aber immerhin. Dieses Geschenk in Form der virtuellen App „Schalke erleben“ fürs Smartphone hat die Stiftung Schalker Markt dem Club, dem Stadtteil, der Stadtgemeinde gemacht. Kaum ein Ort konnte wohl passender sein als die St. Joseph-Kirche an der Grillostraße, um das große Paket auszupacken.

Die Gelsenkirchener Hymne neu gemischt und gesungen

Stellvertretend haben Bodo Menze und Olivier Kruschinski für die Stiftung die Kerzen ausgepustet. Sogar ein Geburtstags-Ständchen gab es. Das wohlbekannte „Blau und Weiß, wie lieb ich Dich“ mit der selten zu hörenden zweiten Strophe erklang neu aufgemischt und virtuos eingesungen vom Gelsenkirchener Noah Reis-Ramma.

Bodo Menze (Stiftungsvorstand) begrüßte die Gäste in der Kirche St. Joseph an der Grillostraße in Gelsenkirchen zur Präsentation der virtuellen Stadtteil-App „Schalke erleben“.
Bodo Menze (Stiftungsvorstand) begrüßte die Gäste in der Kirche St. Joseph an der Grillostraße in Gelsenkirchen zur Präsentation der virtuellen Stadtteil-App „Schalke erleben“. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Unter den zahlreichen Gästen in der vollbesetzten Kirche waren nicht nur alte Bekannte, sondern auch ein Überraschungsgast. Helga Niermann, die ältere Schwester von „Stan“ Libuda, saß in der ersten Reihe, herzlich begrüßt von Bodo Menze. Der hatte, gerade weil das Digitale an diesem Tag im Vordergrund stand, die Bedeutung weiterer Werte deutlich gemacht: „Wir wollen die menschliche Begegnung, das Wiedersehen nach langer Zeit nicht vergessen. Lasst uns beide Füße auf dem Teppich behalten und die Vokabel „Respekt“ in die Mitte rücken“. Dafür gab es spontanen Applaus.

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„Der 4. Mai 1904 war ein Mittwoch“, nahm Olivier Kruschinski den Ball der „zweiten Lokomotive im Stiftungsvorstand“ auf. Und schlug den Bogen mit dem Seitenhieb „Gelsenkirchen kennt kaum jemand, aber Schalke ist der berühmteste Stadtteil der Welt“.

Ein leidenschaftliches Plädoyer: „Schalke braucht uns“

Schalke sei der Kitt, die Integrationsmaschine der Stadt und der Region geworden, Schalke sei sachlich und rational nicht zu erklären, „sondern nur zu erleben“. Allerdings gab er auch zu: „Die Königin hat inzwischen Schrammen im Gesicht. Gelsenkirchen ist die ärmste Stadt und Schalke ihr ärmster Stadtteil.“ Gerade deshalb müsse gelten: „Schalke braucht uns.“

All das, was dieses „riesige Freiluftmuseum“ zu bieten habe, die Geschichte von Industrie, Bergbau, die der Stadt und der Zuwanderung, sei hier komprimiert, gleichsam in einer „Nuss-Schal(k)e“. Weltexklusiv stelle die Stiftung mit dem Ückendorfer Jung-Unternehmen MXR Storytelling und der Unterstützung der Brost-Stiftung die digitalisierte und ausgeweitete Version des analogen Reiseführers „Schalke erleben“ vor.

„Zielgruppe sollen vor allem junge Menschen sein, die Schalkerinnen und Schalker von morgen“, beschrieb Kruschinski. „Mit diesem Pionierprojekt spielt Gelsenkirchen in der digitalen Champions-League“, meinte er stolz. Die bewusst niederschwellig angelegte App biete viele Geschichten rund um die Orte in der Nähe, sei für Schulklassen geeignet und zweisprachig deutsch und englisch verfasst. „Denn der Fußball-Tourismus zieht die Leute hierher.“

Olivier Kruschinski vom Stiftungsvorstand mahnte bei der Präsentation der App in Gelsenkirchen: „Schalke braucht uns“.
Olivier Kruschinski vom Stiftungsvorstand mahnte bei der Präsentation der App in Gelsenkirchen: „Schalke braucht uns“. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Die Orte mit Bedeutung sind in der Realität auf dem Boden mit einem Ball und einer Nummer markiert, übrigens meist rund um den Schalker Markt. Per Augmented Reality, also Erweiterung der im Computer geschaffenen Sicht, haben die App-Entwickler die längst abgerissene Friedenskirche wieder an den Markt gebracht. Und steht nun auch Ernst Kuzorras digitales Ebenbild am Grillo-Platz für Fotos zur Verfügung.

Fünf Audio-Touren mit prominenten Stimmen

Insgesamt fünf Audiotouren leiten Fußballtouristen, Interessierte und Fans zu verschiedenen Themen durch den Stadtteil Schalke. Sky-Moderator Dirk große Schlarmann geht mit dem Zuhörer in Verbindung mit der Frage nach der DNA von Schalke auf Entdeckungstour durchs Viertel. Theodor Grütter, Direktor des Ruhr-Museums, erklärt, warum Fußball und Ruhrgebiet so eng miteinander verbunden sind. Die ehemalige Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Gelsenkirchen, Judith Neuwald-Tasbach nimmt Besucher mit zu den Orten jüdischen Lebens in Schalke. Die Audiotouren dauern in der Regel 1,5 Stunden und vermitteln in besonderer Art und Weise den Mythos vom Schalker Markt.

Der Fokus von MXR Storytelling Fokus lag bei seiner Gründung auf der innovativen Anwendung von Virtual Reality und der Entwicklung des Places-Festivals, das seit 2018 Interessierte nach Ückendorf lockt.

Den kostenlosen Link zum QR-Code für die Web-App „Schalke erleben“ gibt es im Internet unter www.schalke-erleben.de/