Gelsenkirchen. „Das hinterlässt Angst und oft Folgeschäden. Das muss aufhören“: Warum Gelsenkirchens Polizeichef nun eine neue Sonderkommission ins Leben ruft.
Meist geht es nur um ein paar Euro, um Handy-Kopfhörer oder einfach nur um sinnlose Gewalt, Machtspiele, um Unterdrückung. Die erschreckende Serie von teils brutalen Überfällen von Kindern und Jugendlichen auf andere Kinder und Jugendliche in Gelsenkirchen versetzt Heranwachsende und Eltern immer wieder in Angst und Schrecken.
Gerade erst hat eine Mutter, die am Gelsenkirchener Hauptbahnhof Zeugin wurde, wie ein Klassenkamerad ihres Sohnes von zwei Teenagern bedroht wurde, gegenüber der WAZ ihren Frust und ihre Sorgen kundgetan. „Das kann doch nicht wahr sein, du kannst dein Kind in Gelsenkirchen an vielen Orten nicht mehr alleine herumlaufen lassen. Ich frage mich, wo das hinführen soll. Diese Zustände, diese Respektlosigkeit, diese gelähmte Untätigkeit ist nicht mehr erträglich. Es reicht“, sagte die 54-Jährige.
Tags darauf forderten die Gelsenkirchener SPD-Landtagsabgeordneten, Sebastian Watermeier und Christin Siebel, von Ministerpräsident Hendrik Wüst, dass der Kampf gegen Jugendkriminalität in NRW „zur Chefsache“ gemacht werden müsse.
Gelsenkirchens Polizeipräsident kündigt SoKo gegen Jugendkriminalität an
Jetzt meldet sich Gelsenkirchens noch relativ neuer Polizeipräsident, Tim Frommeyer, zu Wort. Schon bei der Vorstellung der Kriminalstatistik für das abgelaufene Jahr 2023, am 3. April, hatte Frommeyer angekündigt, dass sich die Polizei dem Thema Jugendkriminalität in Zukunft noch intensiver widmen werde. Jetzt konkretisiert der Polizeichef sein Vorhaben: „Ich beabsichtige, die Bekämpfung der Kinder- und Jugendkriminalität zu einem Schwerpunkt der polizeilichen Arbeit in Gelsenkirchen zu machen. Jede Gewalttat, die von Minderjährigen verübt wird, ist eine zu viel und bedeutet für die Opfer, die meist im gleichen Alter sind, Angst und oft Folgeschäden. Das muss aufhören und wir wollen, dass es aufhört“, so der Polizeipräsident.
Aus diesem Grund hat Frommeyer in diesen Tagen die Einrichtung einer Sonderkommission verfügt, die sich direktionsübergreifend um das Problem der Kinder- und Jugendkriminalität kümmere. Ziel der SoKo Jugend sei es, die Anzahl der Straftaten in diesem Bereich zu senken und das subjektive Sicherheitsempfinden zu stärken.
Dabei sollen mehrere Ansätze verfolgt werden, sowohl im präventiven als auch im repressiven Bereich. Kriminalrat Gerrit Böckmann, Leiter der Sonderkommission, skizziert die geplanten Maßnahmen wie folgt: „Ziel unserer Arbeit ist es, das Phänomen der Jugendkriminalität nachhaltig anzugehen. Unter anderem wollen wir in den Schulen verstärkte Aufklärungsarbeit leisten und dem Präventionsgedanken besondere Aufmerksamkeit schenken. Aber natürlich wird es da, wo es erforderlich ist, auch entschiedenes Einschreiten und repressive Maßnahmen der Strafverfolgung geben.“
Auch interessant
Zudem sei eine erhöhte Präsenz von Einsatzkräften dort vorgesehen, wo sie gebraucht werde. „Wir wollen zeigen, dass wir da sind und keine Gewalt dulden“, so Böckmann. Selbstverständlich werde die Polizei alle Möglichkeiten prüfen, auch behördenübergreifend beispielsweise in Zusammenarbeit mit der Stadt und der Justiz Synergien zu nutzen und so nachhaltig tätig zu sein. „Nicht nur die Polizei, sondern die Gesellschaft insgesamt steht vor der Herausforderung, die Kinder und Jugendlichen von heute zu den Erwachsenen zu machen, die wir morgen brauchen, damit die Gesellschaft weiterhin funktioniert. Wir wollen jetzt unseren Beitrag leisten und sehen es als eine unserer wichtigsten Aufgaben der kommenden Jahre“, so Polizeipräsident Frommeyer.
Serie von Raubüberfällen durch Kinder und Teeanger
Zum Hintergrund: Seit Mitte 2022 beschäftigt eine von Kindern und Jugendlichen verübte Serie von Diebstählen, Raubzügen und Gewaltdelikten die Menschen in der Stadt. Eine damals deshalb eingerichtete Ermittlungskommission der Polizei wurde im August 2023 wieder aufgelöst, weil die Zahl der Taten rückläufig gewesen sei. Fakt ist aber auch, dass die kürzlich vorgestellte Kriminalstatistik einen rapiden Anstieg der Jugendkriminalität in Gelsenkirchen für 2023 aufweist. Der Anteil, der von Jugendlichen ausgeübten Straftaten betrug demnach 23 Prozent (+ 1,7 Prozent). Das ist nach Polizeiangaben „der höchste Stand seit 2019“.