Gelsenkirchen. Gelsenkirchens Sonderweg: E-Roller müssen bald aus der Stadt verschwunden sein. Jetzt bringt eine der beiden Verleihfirmen die Justiz ins Spiel.
Noch sind sie auf den Straßen zu sehen: die Leih-E-Scooter der beiden Anbieter Tier und Bolt. Doch ihre Zeit ist eigentlich abgelaufen. Am 31. März endeten die Verträge, die die Stadt Gelsenkirchen mit den beiden Firmen abgeschlossen hatte, auf eine Verlängerung konnten sich die Vertragspartner nicht einigen. Jetzt bleiben Bolt und Tier wenige Wochen, um die Scooter zu entfernen.
Hintergrund ist eine Auseinandersetzung zwischen Stadt und den beiden Anbietern. Die Verwaltung verlangt von den Anbietern, die Fahrzeuge nur Kunden zur Verfügung zu stellen, die zuvor einmalig ihren Personalausweis oder Führerschein hochgeladen haben, deren Identität also den Verleihern bekannt ist. Einen entsprechenden Vertrag hatte die Stadt den beiden Firmen vorgelegt, die wollten diesen Bedingungen aber nicht zustimmen. Gespräche zwischen den Beteiligten verliefen erfolglos, somit ist die Zeit der E-Scooter-Verleiher in Gelsenkirchen vorerst beendet.
Beide Anbieter üben deutliche Kritik an der Stadt Gelsenkirchen
Bis zum 20. April haben Bolt und Tier jetzt Zeit, ihre Fahrzeuge aus Gelsenkirchen zu entfernen. Auf Nachfrage dieser Redaktion übten beide Verleiher noch einmal deutliche Kritik an der Stadt und ihrem Beharren auf die Identitätsprüfung. „Das ist unserer Meinung nach der falsche Weg“, sagte Tier-Sprecher Patrick Grundmann. Die Regeln für E-Scooter-Sharing seien deutschlandweit festgelegt, eventuelle Änderungen müssten also auf Bundes- und nicht auf kommunaler Ebene erfolgen.
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Tier werde der Aufforderung der Stadt nachkommen, die Roller bis zum 20. April abzuholen, ob ein künftiger Weiterbetrieb möglich sein werde, ließe sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschätzen, so Grundmann. Beigelegt sei der Streit um den Vertrag allerdings nicht, im Gegenteil.
Tier hat jetzt beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingereicht, Stadtsprecher Martin Schulmann bestätigte den Vorgang. Tier habe sich zu dem Schritt entschlossen, weil man glaube, dass „ein verpflichtender ID-Nachweis unserer Auffassung nach weder im Rahmen der neu geplanten freiwilligen Kooperationsvereinbarung noch im Rahmen einer Sondernutzungserlaubnis rechtskonform ist“, so Tier-Sprecher Grundmann. „Wir sehen eine Identitätsprüfung als sehr aufwändig, bürokratisch und nicht zielführend an.“
Bolt-Sprecher schlägt Alternativen zum ID-Check vor
Seiner Meinung nach sei ein Identitätsnachweis ist nicht zielführend, da er nicht die Verkehrssicherheit erhöhe. Er betonte noch einmal die Einzigartigkeit des Vorgangs: „Tatsächlich ist Gelsenkirchen die einzige Stadt in ganz Deutschland, die Nutzenden und Anbietern diese Hürde aufzwingen möchte.“
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Ähnlich äußerte sich auch Bolt-Sprecher Florian Lund-Meidenbauer. Er erklärte, dass die E-Scooter von Bolt bis zum 20. April verfügbar seien. Auch bei Bolt gehe man davon aus, dass ein „ID-Check nicht das richtige Mittel ist, um Fehlverhalten zu verhindern“, so der Sprecher. „Statt auf Identitätsüberprüfungen zu setzen, die kaum Einfluss auf das Verhalten der Nutzer haben, setzt Bolt auf fortschrittliche technologische Lösungen.“ So könnten beispielsweise kognitive Tests die Zahl der Alkoholfahrten signifikant reduzieren, während moderne Sensorik das Potenzial habe, sowohl Tandemfahrten als auch das Umkippen von Fahrzeugen zuverlässig zu erkennen.
Lund-Meidenbauer verwies auf die Stadt Düsseldorf: Dort starte demnächst ein Pilotversuch zur Geschwindigkeitsdrosselung. Dabei werden die E-Scooter in bestimmten Gebieten – beispielsweise Fußgängerzonen – automatisch abgebremst. In anderen Ländern werde das bereits erfolgreich umgesetzt, so der Sprecher.