Gelsenkirchen. Im Streit ums drohende Aus für E-Scooter in Gelsenkirchen hat sich jetzt der Verleiher Bolt zu Wort gemeldet. Eine Lösung scheint nicht in Sicht.
Noch fahren sie durch Gelsenkirchen, die je nach Anbieter hell- und dunkelgrünen E-Scooter der Firmen Tier und Bolt. Doch geht es nach der Stadt Gelsenkirchen, ist es damit voraussichtlich im April vorbei: Grund ist eine von der Verwaltung geforderte Verschärfung der Regeln für das Leihen von E-Scootern, die die beiden Anbieter bislang ablehnen. Jetzt hat sich die Firma Bolt zu dem Thema geäußert.
Videos und Bilder aus Gelsenkirchen finden Sie auch auf unserem Instagram-Kanal GEtaggt. Oder abonnieren Sie uns kostenlos auf Whatsapp und besuchen Sie die WAZ Gelsenkirchen auf Facebook.
Zum Hintergrund: Die Stadt verlangt von den beiden in Gelsenkirchen aktiven Anbietern Bolt und Tier, ihre Fahrzeuge nur Kunden zur Verfügung zu stellen, die zuvor einmalig ihren Personalausweis oder Führerschein hochgeladen haben, deren Identität also den Verleihern bekannt ist. In der letzten Sitzung des Verkehrsausschusses der Stadt hatte Ordnungsreferatsleiter Hans-Joachim Olbering noch einmal die Position der Verwaltung erklärt und bekräftigt: Der Stadt gehe es vor allem um die Sicherheit, viel zu oft würden die Scooter missbraucht, es sei auch schon zu teils schweren Unfällen gekommen.
Gelsenkirchen könnte im April ohne E-Scooter dastehen
Nun hat die Stadt Nägel mit Köpfen gemacht: Die Verträge mit Bolt und Tier wurden zum 31. März dieses Jahres gekündigt, beiden Unternehmen wurden neue Verträge vorgelegt, die eine Identitätsfeststellung vorschreiben. Im Ausschuss berichtete Olbering, dass weder Bolt noch Tier den Vertragsentwurf unterschreiben wollten – demnach müssten die beiden Unternehmen ihre E-Scooter im April aus Gelsenkirchen abziehen. Laut Hans-Joachim Olbering sei die Stadt aber zuversichtlich, andere Anbieter gewinnen zu können.
- Lesen Sie auch: Keine E-Roller in Gelsenkirchen? Votum für Provinzialität
Jetzt äußert sich die Firma Bolt zu der Diskussion. Natascha Spörle, Senior Public Policy Manager bei dem Mobilitätsanbieter, bekräftigte die Haltung ihres Unternehmens: Man bliebe zwar gesprächsbereit, es käme aber für Bolt nicht infrage, die von der Stadt gewünschte Identitätsfeststellung umzusetzen. „Die Stadt muss sich klar sein: Will sie eine geteilte Mobilität oder nicht“, so Spörle. „Wir haben im Januar den neuen Vertrag vorgelegt bekommen, und hätten die neue Regelung bis Mai umsetzen sollen. Das ist nicht machbar, das ist zu kurzfristig.“
Unternehmenssprecherin: „Finde Begründung der Stadt seltsam“
Insgesamt seien die Gespräche mit der Verwaltung aus ihrer Sicht „nicht zufriedenstellend“ gelaufen, so die Unternehmensvertreterin. Bolt habe auch das Gespräch mit den politischen Parteien der Stadt gesucht, darauf sei aber nur die CDU eingegangen.
Bolt sei in insgesamt 65 Städten in Deutschland vertreten – in keiner anderen Stadt gibt es ähnliche Forderungen wie in Gelsenkirchen, stellte Spörle fest. „Ich finde die Begründung, dass man die neuen Regelungen aus Schutz vor Vandalismus einführen will, seltsam“, sagt sie. „Ja, Vandalismus gibt es natürlich, aber in aller Regel geht das ja zu Lasten der Unternehmen, die die E-Scooter verleihen, weil diese beschädigt werden.“ Wo es Verstöße gebe, bei denen Dritte zu Schaden kommen, arbeite ihre Firma ohnehin schon eng mit den Behörden zusammen.
„Mir ist das Ansinnen der Stadt Gelsenkirchen nicht wirklich klar“, sagt Natascha Spörle. Sie spricht von einer „Überregulierung“. Der Betrieb von Elektroscootern sei durch ein Bundesgesetz geregelt, so Spörle, genau gesagt die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung. „Dort steht unter anderem, dass man keinen Führerschein braucht, um das Gerät zu fahren, und dass das Mindestalter für die Nutzung auf der Straße bei 14 Jahren liegt.“ Bolt habe für seine Scooter das Mindestalter auf 18 Jahre gesetzt.
Diese Maßnahme hält die Bolt-Sprecherin für sinnvoll
Als das größte Problem bei der Nutzung von E-Scootern sieht die Bolt-Vertreterin die fehlenden Abstellmöglichkeiten. „Die Scooter müssen ja auf dem Gehweg abgestellt werden – und da ist der Platz bisweilen eng“, sagt sie. Statt für einen Zwang zur Identitätsfeststellung plädiert sie für mehr Parkflächen für die Fahrzeuge: „Aus anderen Städten wissen wir, dass das eine Maßnahme ist, die am meisten hilft.“
Ebenfalls nicht erklärbar ist für Natascha Spörle der Zeitpunkt der Vertragskündigung so kurz vor der Fußball-Europameisterschaft. „In Düsseldorf sind zurzeit noch alle vier in Deutschland vertretenen Anbieter von E-Scootern aktiv, die Stadt will die Zahl aber auf drei verringern und hat deshalb den Betrieb neu ausgeschrieben“, berichtet sie. „Aber den Zeitpunkt der Ausschreibung hat man in Düsseldorf absichtlich auf die Zeit nach der EM gelegt, um rechtzeitig zu dem Fußballturnier noch so viele Fahrzeuge wie möglich auf die Straße zu bringen.“ In Gelsenkirchen drohe stattdessen eine EM ohne E-Scooter.
Die Hoffnung Olberings, dass die Stadt nach einem absehbaren Aus für Bolt und Tier neue Anbieter für den Verleih von E-Scootern findet, teilt Natascha Spörle nicht. „Außer Tier und Bolt sind in Deutschland nur noch Lime und Voy aktiv: Ich bin mir sicher, dass die ebenfalls keine Identitätsfeststellung einführen werden.“