Gelsenkirchen. Das Fußballdrama in fünf Akten“ mit Peter Lohmeyer und Toni Schumacher läuft am 16. Mai im MiR. Mit sehr viel S04-Kolorit.
Es war nicht irgendein Fußballspiel. Es war die „Nacht von Sevilla“, eines der größten Fußballdramen aller Zeiten. Jetzt wird aus dem Fußball-Thriller ein Doku-Theaterstück: Nach der Premiere bei den Ruhrfestspielen kommt es am Donnerstag, 16. Mai, auch ins Musiktheater. Das Besondere: Zwei erklärte Schalke-Fans und ein Ex-Schalke-Profi sind die Hauptakteure – und eine Schalker Legende namens Klaus Fischer spielt indirekt eine zentrale Rolle. Aber der Reihe nach.
Wenn es jemals ein Fußballspiel gab, das einer klassischen griechischen Tragödie glich – dann war es jenes, das am 8. Juli 1982 im Estadio Ramón Sánchez Pizjuán von Sevilla die Fußballwelt elektrisierte. Folgerichtig hat Manuel Neukirchner, Autor, Direktor des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund und S04-Anhänger, aus dem epischen Kampf ein Theaterstück gemacht: „Die Nacht von Sevilla. Fußballdrama in fünf Akten.“
Neukirchner: „Die ganze Emotionalität hatte ihren Ursprung in dieser Szene“
Deren Höhepunkt: Die berühmte Kollision zwischen dem deutschen Torwart Harald „Toni“ Schumacher und dem Franzosen Patrick Battiston in der 57. Spielminute. Der Franzose landete mit gebrochenem Halswirbel im Krankenhaus, Schumacher – der die Szene bis heute nicht als Foul empfindet – wurde zum Schurken und Helden in einer Person, weil er später zwei Elfmeter hielt. Schumacher wurde bei einer Umfrage in Frankreich zum unbeliebtesten Deutschen gewählt, noch vor Hitler. Sogar die Staatschefs Mitterand und Kohl schalteten sich ein, um die Wogen zu glätten.
+++ Sie wollen keine Nachrichten aus Gelsenkirchen verpassen? Dann können Sie hier unseren kostenlosen Newsletter abonnieren +++
„Der Zusammenprall zieht sich als roter Faden durch den Dramentext“, sagt Neukirchner: „Die Emotionalität hatte in dieser Szene ihren Ursprung – und der ganze Wahnsinn, der folgen sollte.“ Neukirchner lässt gut 50 Personen zu Wort kommen, in deren Gedankenwelt das Publikum eintaucht: Spieler, Betreuer, Journalisten, Politiker. Die Statements sind original, entlehnt aus Interviews, Reportagen und Dokumentationen.
Eine zentrale Figur: Schalkes Legende Klaus Fischer (dass der heute 74-Jährige zum Zeitpunkt des Dramas für den 1. FC Köln stürmte, tut nichts zur Sache). Insgesamt zehnmal kommt Fischer im Drama zu Wort.
Fischer im Stück: „Ich spüre tief in mir, dass etwas Außergewöhnliches passieren wird.“
Kostproben: „Das war kein Foul! Kein Abseits! Warum gibt er dieses Tor nicht?“ (Über sein aberkanntes Tor in der 100. Minute.) „Noch zehn Minuten zu spielen. Tief in mir spüre ich, dass etwas Außergewöhnliches passieren wird.“ (Über das Aufbäumen der Deutschen nach Rummenigges Anschluss.) „Horst macht das super. Ich stehe mit dem Rücken zum Tor und habe eigentlich gar keine andere Möglichkeit, als den Fallrückzieher zu versuchen.“ (Über seinen späten Ausgleich in der 108. Minute.) „Was bin ich erleichtert, dass ich nicht mehr antreten muss. Elfmeter sind nicht mein Ding. Ich wäre bei uns der nächste Schütze gewesen.“ (Über Hrubeschs entscheidenden Strafstoß.)
Fischer und all den anderen Protagonisten im Doku-Drama gibt Peter Lohmeyer („Das Wunder von Bern“) eine Stimme. Der eingefleischte Schalke-Fan hat sich intensiv in die vielen Sprachfarben und Dialekte eingehört, unter anderem durch Interviews. So ist die „Nacht von Sevilla“, die mit Originalklängen und -fotos dezent unterlegt wird, fast ein Ein-Personen-Stück.
Schumacher: „Bin immer noch Schalke-Mitglied“
Aber eben nur fast. Denn am Ende tritt der heute 70-jährige Schumacher mit einem Epilog selbst auf die Bühne und schildert seine Sicht der Dinge. „Hinter mir tobt das Publikum. Ich denke: Patrick, steh bitte wieder auf! Warum kommt keiner meiner Mitspieler zu mir? Viele Fragen, keine Antworten. Was würde ich heute anders machen? Ich würde zu ihm gehen, mich kümmern.“ Im Gespräch mit dieser Zeitung hat Schumacher, der in der Saison 1987/88 33 Ligaspiele für Schalke absolvierte, noch eine echte Überraschung zu bieten: „Ich bin immer noch Schalke-Mitglied!“
Das hat er mit Lohmeyer gemeinsam, der nach zwischenzeitlichem Austritt wegen der Rassismus-Affäre um den früheren Aufsichtsratschef Clemens Tönnies mittlerweile wieder dem Verein angehört. Seine Lieblingsspieler? „Stan Libuda“, sagt Lohmeyer. „Und Ebbe Sand. So versuche ich es auch selbst auf dem Platz, in meiner Hobbymannschaft.“ Und lacht.
Lohmeyer: „Habe die erste Saison in der Zweiten Liga genossen“
Aber was wird nun aus den Blau-Weißen? „Wenn man es verpasst, direkt wieder aufzusteigen, kann es passieren, dass man sich ein paar Jahre in der Zweiten Liga wiederfindet“, sagt Schumacher: „Bestenfalls. Es wäre für Gelsenkirchen eine Vollkatastrophe, wenn sie ganz in den Strudel geraten würden.“ In der Hinsicht hat sich Peter Lohmeyer seinen Optimismus bewahrt. „Ich glaube eigentlich nicht, dass es noch weiter runtergeht. Und ehrlich gesagt habe ich die erste Saison in der Zweiten Liga richtig genossen. Ich fand das spannend. Viel besser, als in der Ersten Liga um Platz 12 zu spielen.“
Bei den Ruhrfestspielen war die Aufführung nach wenigen Tagen ausgebucht. Karten für den Abend im Musiktheater im Revier am 16. Mai zu 13 bis 30 Euro gibt es telefonisch unter 0209 4097 200 oder per E-Mail an Theaterkasse@musiktheater-im-revier.de.