Gelsenkirchen. Cannabis könnte ab April teils legal sein. Stellt sich die Frage: Drückt die Polizei bei Vergehen bereits heute schon ein Auge zu?

„Coming soon . . .“ - kurz vor der möglichen Legalisierung von Cannabis künden Aufkleber von diversen Cannabis-Club-Eröffnungen. An diesem Freitag, 22. März, diskutiert der Bundesrat über die von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) forcierte Legalisierung der Droge. Das voreilige Pflanzen einer Cannabis-Staude könnte aktuell allerdings ein Fehler sein. Die Polizei Gelsenkirchen verfolgt vor der geplanten Freigabe am 1. April weiterhin alle Drogenstraftaten rund um Haschisch, Marihuana und Cannabis. Und ob das Gesetz den Bundesrat überhaupt passiert ist, gilt aktuell nicht als gesichert. Der Widerstand ist enorm.

„Bis zu einer etwaigen Gesetzesänderung obliegt der Polizei die Einhaltung der bestehenden Gesetze. Sie ist verpflichtet, Straftaten zu erforschen und zu verfolgen. Aus diesem Grunde ändert die Polizei ihre Verfahrensweise bis zu einer Gesetzesänderung nicht“, sagt Polizeisprecher Stephan Knipp.

Das heißt, dass die Polizei weiterhin bei Kontrollen Drogen beschlagnahmen und gegebenenfalls Strafverfahren einleiten wird. Auch Razzien können weiter stattfinden. Aktuell gilt in NRW eine Freimenge von zehn Gramm Marihuana oder Haschisch. Die Staatsanwaltschaften stellen die Ermittlungsverfahren ein, wenn die Freimenge nicht überschritten wird. Der Verkauf ist aktuell noch verboten.

Cannabis-Legalisierung: geplante Freimenge reicht für 50 bis 75 Joints

Künftig soll nach dem vom Bundestag beschlossenen Gesetz Cannabis im Betäubungsmittelgesetz nicht mehr auf der Liste der verbotenen Substanzen stehen. In der Öffentlichkeit sollen Erwachsene demnach bis zu 25 Gramm mit sich führen dürfen– das kann für etwa 50 bis 75 Joints reichen. In der eigenen Wohnung sind bis zu 50 Gramm erlaubt. Weil das schwer zu bemessen ist und um Konsumierende nicht weiter zu kriminalisieren, gilt der Besitz von 50 bis 60 Gramm dann lediglich als Ordnungswidrigkeit. Die Angaben beziehen sich auf getrocknetes Material.

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50 Gramm sind auch die monatliche Obergrenze, die Cannabisclubs zum Eigenbedarf ausgeben dürfen – allerdings nicht gewinnorientiert. Eine weitere Ausnahme: Wer zwischen 18 und 21 Jahre alt ist, soll in Cannabisclubs maximal 30 Gramm pro Monat erhalten dürfen. Beim Eigenanbau auf dem Balkon, im Garten oder der Growbox (Gewächshaus) sind bis zu drei Pflanzen pro gemeldeter Person erlaubt.

Mit Inkrafttreten der Novellierung würde die Gelsenkirchener Polizei nach geänderter Gesetzeslage arbeiten. „Wobei die Amnestie-Regelung dabei ausnahmslos die Justiz betrifft“, erklärt Knipp. Die Amnestie-Regelung soll dafür sorgen, dass wegen des Besitzes oder Handels verurteilte Straftäter nicht mehr für die Taten büßen müssen, wenn diese nach aktueller Gesetzgebung nicht zu einer Verurteilung führen würden. Gerichte hatten deshalb schon laut Alarm geschlagen, weil sie eine Welle an Mehr-Arbeit auf sich zurollen sehen. Die Justiz müsste mehr als 200.000 Altfälle neuerlich prüfen - allein in NRW sind es rund 60.000.

Polizei Gelsenkirchen zu Drogen am Steuer: Behalten uns repressive Maßnahmen vor

Massiven Widerstand erfährt das Gesetzesvorhaben von Ärzten, Juristen und Sicherheitsexperten. Ein großer Gegner der Legalisierung ist auch NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). Der oberste Polizeichef im Land äußerte in einem ARD-Interview harsche Kritik und sagte: „Ich habe keine Lust, meine Polizisten mit so einem Scheiß zu beschäftigen.“

Das Gelsenkirchener Polizeipräsidium hält sich auf Anfrage nach einer Beurteilung des Gesetzesvorhabens zurück. „Das ist eine politische Entscheidung, die die Polizei Gelsenkirchen nicht kommentieren wird“, sagt Polizeisprecher Stephan Knipp. Anlass zur Sorge dürfte aber zumindest die jüngste Verkehrsunfallstatistik geben, aus der hervorgeht, dass Rauschfahrten ein echtes Problem in Gelsenkirchen darstellen. Das Verhältnis bei den rund erfassten 600 Fällen von Alkohol und Drogen am Steuer: beinahe 1:3. Und das, wenn man ältere Statistiken vergleicht, schon seit Jahren.

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Sollten sich die Fallzahlen bei Drogen im Straßenverkehr erhöhen, „behält sich die Polizei Gelsenkirchen vor, sowohl mit präventiven als auch repressiven Maßnahmen zu reagieren“, kündigt die Polizei daher an.

Ob das Gesetz allerdings überhaupt in Kraft tritt, ist noch fraglich. Sollte am Freitag eine Länder-Mehrheit das Cannabis-Gesetz in den Vermittlungsausschuss schicken, könnte das zum faktischen Aus für die Regelung führen.