Gelsenkirchen. Kiffen bei Kaffee und Schach: Das will Gelsenkirchens Cannabis Social Club ermöglichen. Dabei haben die Mitbegründer ewig keinen Joint angefasst.

Stellen Sie sich jemanden vor, der beim ersten Cannabis Social Club Gelsenkirchens in der ersten Reihe steht. Und Sie hätten, jede Wette, keinen Menschen wie Benjamin Cvetanovic vor Augen: 41 Jahre alt, zweifacher Familienvater, Lkw-Fahrer – und nach eigenen Angaben seit zehn Jahren keinen Joint mehr angefasst. Was so jemanden dazu motiviert, ganz vorne bei der Umsetzung des schon bald erwarteten Cannabis-Legalisierungsgesetzes der Ampel-Regierung dabei zu sein? „Wir wollen die Jugend von dem Dreck wegkriegen“, sagt er.

Das Gras auf dem Schwarzmarkt sei oft gestreckt, etwa mit Vogelsand oder Haarspray. Oder die Jugend würde sich andere Kicks suchen – die WAZ Gelsenkirchen berichtete erst kürzlich darüber, dass frei verkäufliches Lachgas auch in der Emscherstadt zur Trend-Droge geworden ist. Konsumiert wird so etwas natürlich oft im unaufgeklärten Rahmen, ohne Wissen über gesundheitliche Folgen.

Mit dem Cannabis Social Club soll das, zumindest was den Marihuana-Konsum angeht, eben anders laufen: „Man sollte auch Cannabis nicht verharmlosen. Aber wenn die Leute zu uns kommen und rauchen, dann wollen wir sie direkt aufklären“, so Cvetanovics Vorstellung. „Leute, die Ahnung haben“, sollen dort als Ansprechpartner bereitstehen. „Wir wollen seriös sein und sicher kein Schmuddelverein.“

Cannabis Social Club in Gelsenkirchen: Altersdurchschnitt über 50 Jahre

Nachdem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Mitte April seinen Gesetzesentwurf zur Legalisierung vorstellte, da schossen die Cannabis Clubs aus dem Boden. Auch der „Organic Ganja Club Gelsenkirchen“ war direkt dabei und ist jetzt schon bei 270 Mitgliedern, „mit einem Altersdurchschnitt von über 50 Jahren“, sagt Cvetanovic. 500 Mitglieder soll es nach aktuellem Gesetzesentwurf maximal geben dürfen.

Die Clubs spielen eine Schlüsselrolle bei der Legalisierung. Wer Cannabis anbauen, besitzen und konsumieren will, dem hilft die dortige Mitgliedschaft. Darüber hinaus soll aber auch der Privatanbau außerhalb von Club-Mitgliedschaften möglich sein. Die Zusammenarbeit mit der Drogenberatung ist für die Clubs verpflichtend.

Strittig ist noch, welche Rolle der soziale Aspekt bei den Clubs spielen soll, also ob es dort auch Räumlichkeiten geben darf, in denen die Joints in gemütlicher Runde geraucht werden können. Lauterbach war bislang dagegen, in den Ampel-Fraktionen stehen dem aber auch viele offen gegenüber – ganz im Gegensatz zu vielen CDU-Politikern, die das Gesetz insgesamt ablehnen. Auch im unionsgeführten NRW, wo sich etwa Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann um die „cannabisbedingten Hirnschädigungen bei Heranwachsenden und jungen Erwachsenen“ sorgt.

Benjamin Cvetanovic findet: Ohne den Sozialraum macht das Cannabis-Gesetz wenig Sinn. „Ich sehe uns definitiv nicht als reine Abgabestelle. Wir wollen in unserem Club Spielkonsolen aufstellen, FIFA-Turniere machen, Schach spielen – und 20- und 50-Jährige bei einem Kaffee und eben einem Joint gemeinsam über die Welt philosophieren lassen.“ Und die gesundheitlichen Risiken? Die sieht er vielmehr bei dem „derzeitigen Dreckszeug“ auf der Straße.

Legalisierung in Gelsenkirchen: „Cannabis ist eine mächtige Pflanze“

Erwartet wird das Gesetz zum Jahresende, idealerweise eben mit Berücksichtigung der sozialen Aspekte. „Die werden kommen“, ist sich Cvetanovic sicher. Seiner Vorstellung nach fangen er und sein Team Anfang 2024 gezielt an, eine passende Immobilie für ihren Club zu finden, um dann etwa Mitte des Jahres die ersten Menschen einladen und ihnen selbst angebautes „Ganja“ anbieten zu können. „Ideal wäre eine alte Halle, zwischen 300 und 500 Quadratmetern“, sagt Cvetanovic. „Am besten in einem Gewerbegebiet, ganz diskret, nicht auf dem Schulweg von Kindern“, ergänzt Marcel Kehring (35), der Schatzmeister (des noch nicht eingetragenen) Vereins ist – und nach eigenen Angaben übrigens auch schon seit Jahren keinen Joint mehr geraucht hat.

„Das ist nicht ungewöhnlich“, sagt Benjamin Cvetanovic. Unter den sieben Gründern des Clubs sei nur ein Cannabis-Konsument – ein Patient, der aus medizinischen Gründen raucht. Es ist also kaum der Rausch, der die Männer zusammengebracht hat, sondern vielmehr „die Faszination für die älteste Kulturpflanze der Welt“, wie es Cvetanovic beschreibt. „Man kann so viel mit ihr machen – Kleidung, Baumaterial, Karosserien“, zählt er auf. Selbst Henry Ford habe in den Vierzigern ein Auto aus Hanf- und Sojafasern vorgestellt. „Cannabis ist so mächtig, und sicher nicht nur ein Genussmittel.“ In vielen Industrien könne sie für eine ökologische Transformation sorgen, meint der Club-Mitbegründer. Ja, auch Klima- und Umweltaktivismus steckt in seiner Cannabis-Mission.

Das geplante Gesetz beschreibt er deshalb als „eines der bedeutungsvollsten Gesetze der letzten Jahrzehnte“. „So etwas wie das Heizungsgesetz kann man da ruhig mal beiseitelassen, das hier ist viel größer.“ Natürlich seien da noch Aspekte, die bei dem Gesetz zu kritisieren seien, wie etwa die aus seiner Sicht „harten Abstandsregelungen“ für den öffentlichen Konsum. Deutschland habe aber die Chance, ein Vorbild für ganz Europa in Sachen Drogenpolitik zu werden. „Die Ampel bringt da wirklich etwas Gutes auf den Weg.“

Weitere Infos zum „Organic Ganja Club Gelsenkirchen“ gibt es online auf www.organicganjaclubgelsenkirchen.de. Kontakt zum Vorstand: info@ogc-gelsenkirchen.de, Tel: 0157 57250640.