Gelsenkirchen. Gelsenkirchen steht ein Rekordsommer in Sachen Veranstaltungen bevor: Neben Konzerten gibt es vier EM-Spiele. Wie profitiert die Wirtschaft?
Dr. Jochen Grütters ist in der Regel niemand, der zu Übertreibungen neigt: Das verbietet sich beim Leiter des Standorts Emscher-Lippe der IHK Nord Westfalen schon von Berufs wegen. Doch wenn er auf die Monate schaut, die Gelsenkirchen nun bevorstehen, greift auch er zu einem Superlativ: „Das wird ein Mega-Veranstaltungssommer, von dem auch die regionale Wirtschaft profitieren wird.“
Bekanntlich geben sich in Gelsenkirchen in der Zeit von Mitte Mai bis Ende Juli Musik- und Fußball-Superstars die Klinke in die Hand: Die Veltins-Arena wird Schauplatz mehrerer Konzerte (unter anderem mit AC/DC, Taylor Swift und Rammstein), und dann ist die Heimspielstätte des FC Schalke 04 im Juni Gastgeber für vier Partien der Fußball-Europameisterschaft. Grütters hat nachgerechnet: „Insgesamt bringen allein diese Veranstaltungen mindestens mehr als eine Million Menschen nach Gelsenkirchen – das entspricht 14 ausverkauften Schalke-Heimspielen in nur zwölf Wochen.“
So viele Menschen könnte der Event-Sommer nach Gelsenkirchen bringen
Und das sei noch nicht alles, so Grütters, der auch ein wenig über den Tellerrand blickt. „In NRW finden außer in Gelsenkirchen noch EM-Spiele in Köln, Düsseldorf und Dortmund statt“, so der IHK-Mann. Das heißt: Auch bei Partien, die nicht in Gelsenkirchen steigen, sind Fans zumindest in der Region. So müssen beispielsweise sowohl die Spanier als auch die Italiener, die ja in Gelsenkirchen gegeneinander spielen, außerdem noch in Düsseldorf respektive Dortmund antreten – gut möglich also, dass Fans der Teams nicht nur für ein Spiel, sondern gleich länger hier bleiben werden.
Dazu kommt: Erfahrungen von vergangenen Großveranstaltungen zeigten, so Grütters, dass nicht nur Menschen mit einer Eintrittskarte anreisen, sondern auch viele Personen ohne Ticket, die entweder darauf hoffen, noch eines zu ergattern oder etwa an einem Public-Viewing teilnehmen wollen. Beim Gastspiel der Engländer bei der WM 2006 in Gelsenkirchen etwa schauten 27.000 Briten das Spiel auf der Großbildleinwand an der Trabrennbahn.
Außerdem seien die Konzerte in der Arena in diesem Jahr außergewöhnlicher als sonst. „Taylor Swift spielt in Deutschland außer in Gelsenkirchen nur noch in Hamburg und München, Gelsenkirchen ist also der einzige Stopp im gesamten Westen: Da werden mit Sicherheit nicht nur Fans mit Karte kommen.“ Insgesamt, so Grütters, könnten Konzerte und EM-Spiele bis zu 1,2 Millionen Menschen nach Gelsenkirchen bringen.
So viel Geld gibt der Durchschnittsfan bei einem Fußballturnier aus
Das muss doch auch der lokalen und regionalen Wirtschaft guttun – oder? Laut Grütters sind die Voraussetzungen dafür gut, und er blickt dafür nicht etwa in die Glaskugel, sondern legt handfeste Zahlen auf den Tisch. Denn Erfahrungswerte in Sachen Großveranstaltungen hat man ja: Die Fußball-WM 2006, das legendäre „Sommermärchen“, ist ja noch gar nicht so lange her. „Laut einer Studie, die im Nachgang der WM erschienen ist, lag die durchschnittliche Aufenthaltsdauer eines europäischen Fußballfans in Deutschland damals bei etwa sechs Tagen“, so Grütters.
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Pro Tag gab der Durchschnittsfan 375 Euro inklusive Übernachtung aus, ohne Übernachtung waren es 216 Euro. 18 Jahre später dürften die Zahlen inflationsbedingt natürlich noch etwas höher sein. Dieses Geld wird dann für Übernachtung und Verpflegung ausgegeben, aber auch für Dinge wie Souvenirs oder Veranstaltungen im Rahmenprogramm: Das könne ein Besuch im Theater, im Freizeitpark oder im Zoo sein, so Grütters.
Diese Unternehmen profitieren besonders von den Veranstaltungen
Logischerweise profitiert von den vielen Menschen in der Stadt vor allem das Hotel- und Gaststättengewerbe. Aber auch weitere Unternehmen können sich einen Teil des Kuchens gönnen. „Da sind zum einen Firmen aus dem Sicherheits- und Reinigungssektor“, zählt Grütters auf. „Aber auch sämtliche Mobilitätsanbieter wie Bus- oder Taxiunternehmen.“ Darüber hinaus werde es um die eigentlichen Events herum zahlreiche Veranstaltungen geben, die beispielsweise Techniker oder Caterer bräuchten.
Auch die Stadt Gelsenkirchen profitiere von der EM – in welcher Höhe, das ließe sich auch beziffern. „Die Uefa hat den Werbewert eines EM-Spieltages für die jeweilige Stadt mit bis zu drei Millionen Euro angesetzt“, so Grütters. Das sei natürlich ein virtueller Wert, heißt aber übersetzt: Ohne die vier EM-Spieltage müsste die Stadt theoretisch zwölf Millionen Euro in die Hand nehmen, um ihren Namen auf ähnliche Weise in aller Welt bekannt zu machen.
Neben den harten Zahlen gebe es aber auch einige „weiche“ Faktoren, die sich positiv für den Standort Gelsenkirchen erweisen könnten. „Viele Firmen suchen Fachkräfte“, erläutert Grütters: „Die vielen Menschen, die durch die Events in die Stadt kommen, können sich vor Ort einen Eindruck von der Region machen – und sich davon überzeugen, dass es hier ja doch ganz schön ist.“ Für Grütters ist damit als Fazit klar: „Wie bereits die WM 2006 wird auch die Euro 2024 einen positiven Effekt auf die regionale Wirtschaft haben.“