Gelsenkirchen. Beleidigungen und Pöbeleien: Beschicker in Gelsenkirchen-Buer sind frustriert. Zukunft der Veranstaltung ist unklar.
Zehn Imbiss- und zwei Geschenkartikel-Stände: Das war der buersche Weihnachtsmarkt 2023. Dass da „niemandem vor Staunen der Mund offensteht“, wie Werbegemeinschafts-Chef Dirk Niewöhner es sarkastisch formuliert, war auch anderen Akteurinnen und Akteuren klar. Trotzdem überwog der Wille, die Tradition fortzuführen und ein wenig Licht auf die Hochstraße zu bringen. Gewürdigt wurde das kaum: Die Händler mussten sich teils anpöbeln und verspotten lassen. Nicht nur deshalb ist für sie klar: Sie werden im nächsten Jahr keinen Weihnachtsmarkt mehr veranstalten.
Schausteller Sascha Röber, der mit seiner Mandelhütte vier Wochen an der oberen Hochstraße stand, trafen die Kommentare von Passanten besonders hart, auch weil sein Vater Max Röber den Markt einst mitbegründet hatte: „Wir wissen, dass unser Weihnachtsmarkt in diesem Jahr nicht der schönste und größte war. Aber wir haben unser Bestes gegeben“, berichtet er, dass das mangelnde Angebot oft kritisiert worden sei.
Gelsenkirchener Schausteller: Wurde ausgelacht, weil er auf dem Weihnachtsmarkt verkaufte
Er sei „manchmal sogar beleidigt oder angepöbelt“ und „teilweise dafür ausgelacht“ worden, „dass man täglich zehn Stunden da steht, um ein wenig Farbe in diese Gegend zu bringen.“ Und: „Anstatt sich darüber zu freuen, dass wir immer noch da sind“, werde alles schlecht geredet, klagt der 50-Jährige. Nur ein paar Stammkunden wüssten das Engagement der Beschicker zu schätzen.
Ähnliches berichtet WG-Vorsitzender Niewöhner: „Einige wenige wohlmeinende Kunden haben sich für unseren ehrenamtlichen Einsatz bedankt, andere sich aber spöttisch, verzweifelt oder frustriert geäußert. Die Erwartungshaltung an so eine Veranstaltung ist eben gestiegen. Da ist mancher sogar bereit, Eintritt zu zahlen, wie das Beispiel Crange zeigt. Aber da spielen wir in Buer in einer anderen Liga.“
Werbegemeinschaft Gelsenkirchen-Buer: Budget ist zu klein für größeren Weihnachtsmarkt
Auch die Kaufleute selbst hätten den Weihnachtsmarkt Buer gerne ein, zwei Nummern größer aufgezogen und etwa mit einer neuen Beleuchtung auch optisch für mehr Stimmung gesorgt. Allein: Nach dem Rückzug von großen Filialisten wie Sinn oder Saturn und der Coronakrise fehlen der Werbegemeinschaft sowohl Mitgliedsbeiträge als auch Frequenz in der City. Dies schmälert für auswärtige fliegende Händler die Attraktivität, ihren Stand auf der Hochstraße aufzubauen – und verhindert, Beschicker nach Buer zu holen (und zu bezahlen), die mit traditionellem Kunsthandwerk wie Ledergerben oder Holzschnitzen für Belebung sorgen könnten.
„Frustriert über das Gemecker“ zeigt sich ebenfalls Ralph Gusowski, der ganzjährig „Pommes Fritz“ auf der Hochstraße betreibt und beim Weihnachtsmarkt mit einem Crêpes-Stand vertreten war. Nachvollziehen kann er „das Gemecker“ nur bedingt: „Der buersche Weihnachtsmarkt ist besser als sein Ruf“, findet er. „Es funktioniert im Imbiss-Bereich in Buer zwar nichts Hochpreisiges, aber unsere Produkte sind so gut, dass unsere Stammkunden immer wieder kommen und über die Menge für Umsatz sorgen. Dann kommt man als Händler finanziell auch klar“, sagt er.
Händler-Zusammenschluss will Weihnachtsmarkt 2024 nicht mehr veranstalten
Sowohl Gusowski als auch Röber hoffen, dass sie mit ihren Ständen auch 2024 wieder auf dem Weihnachtsmarkt Buer stehen können. Doch genau das ist aktuell völlig unklar. Fest steht für WG-Chef Niewöhner nur: „Wir werden uns bei der Ausschreibung der Fußgängerzone 2024 nicht mehr um die Veranstaltung des Weihnachtsmarkts bewerben.“
Das habe mehrere Gründe: „Für ein uns Ehrenamtler ist das neben unserem Vollzeit-Job als selbstständige Unternehmer kaum mehr zu stemmen. Ein City-Management, das uns unterstützen könnte, ist nach wie vor nicht in Sicht. Und schließlich ist das Ganze auch nicht mehr zu finanzieren“, erklärt Niewöhner mit Blick auf die Reinigungskosten.
Werbegemeinschaft Gelsenkirchen-Buer klagt über hohe Reinigungskosten für Weihnachtsmarkt
Dieser Posten sei im Vergleich zu früher um mehrere Tausend auf rund 13.000 Euro gestiegen. Auf Nachfrage erklärt Gelsendienste-Sprecher Tobias Heyne dazu: „Die diesjährigen Kosten sind mit denen aus dem Vorjahr nicht vergleichbar. Der Weihnachtsmarkt in 2022 ist nicht von der Werbegemeinschaft Buer, sondern von einer Eventagentur veranstaltet worden. Mit dieser ist damals vereinbart worden, dass einige Tätigkeiten in Eigenleistung durch die Agentur bzw. die Händler erbracht werden. Daher war für Gelsendienste in 2022 der Aufwand deutlich geringer und somit auch die Kosten, die dem Veranstalter in Rechnung zu stellen waren.“
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Die Übernahme von Eigenleistungen durch die Händler sei auch in diesem Jahr wieder als Möglichkeit zur Kostenreduzierung vorgeschlagen worden. Die Werbegemeinschaft habe das Angebot von Gelsendienste jedoch nicht in Anspruch genommen, betont Heyne. So sei es bei einer täglichen Reinigung der Veranstaltungsfläche, der Bereitstellung und Leerung gebührenpflichtiger Abfallbehälter sowie der Entsorgung von mehr als 200 Tannenbäumen nach Weihnachtsmarkt-Ende geblieben. Laut Niewöhner hätten derartige Eigenleistungen die Kosten „nur marginal um etwa 500 Euro reduziert“. Da habe sich der Aufwand angesichts der Höhe der Gesamtrechnung nicht gelohnt.
Gelsenkirchener Stadtmarketing Gesellschaft prüft Ausrichtung des Weihnachtsmarkts
Und die Umsätze der Weihnachtsmarkt-Händler? Während Crêpes-Stand-Betreiber Gusowski „zufrieden bis sehr zufrieden“ ist, klagen etwa Mandelhütten-Inhaber Röber und Imbiss-Betreiber Josef Bathen im Vergleich zu vorigen Jahren über Umsatz-Einbußen, besonders an den verregneten letzten Tagen des Weihnachtsmarkts.
Ob sie 2024 Gelegenheit bekommen, ein (größeres) Plus zu machen? Ob überhaupt ein Weihnachtsmarkt zustande kommt und wer ihn ausrichtet, soll die öffentliche Ausschreibung der Dienstleistungs-Konzession klären, die voraussichtlich im Frühjahr erfolgen soll. Eine festgesetzte Bewerbungsfrist gibt es damit laut Stadt-Sprecher Martin Schulmann nicht. Immerhin will die Verwaltung darüber „zeitnah mit der Werbegemeinschaft Buer sowie potenziellen Ausrichtern“ sprechen. „Inwiefern“ die Stadtmarketing Gesellschaft Gelsenkirchen mbH (SMG) als Ausrichter einspringen könnte, werde aktuell intern abgestimmt, heißt es.
Derweil geht unter den bisherigen Beschickern die Angst um, von einem fremden Ausrichter womöglich nicht mehr berücksichtigt zu werden. „Ein neuer Verantwortlicher hat in der Regel seine Stammhändler. Und selbst wenn wir wieder mitwirken könnten: Ein neuer Ausrichter müsste gewinnorientierter arbeiten – und erhöht vielleicht die Standgelder. Dabei sind wir mit deren Finanzierung schon jetzt am Limit.“
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