Gelsenkirchen-Buer. Hier bekam man auch dann noch ein Bier, wenn andere Kneipen in Gelsenkirchen-Buer schon geschlossen hatten: das Old Inn. Wir blicken zurück.

Gelsenkirchen-Buer, drei Uhr morgens: Selbst die verständnisvollste Kneipenwirtin macht jetzt das große Licht an, spült die Theke, drängt zum Aufbruch. Wohin jetzt, wenn man noch nicht nach Hause will? Heute fällt die Antwort auf diese Frage schwer. In den 80er- und 90er-Jahren nicht: „Ins Old Inn“, konnte man damals sagen. Und sicher sein, dass dort noch Bier gezapft, Schnaps ausgeschenkt wird. Bis in die frühen Morgenstunden.

Es gibt Kneipen in Buer, die vielleicht nicht für viele Jahre existierten, die aber dennoch auch Jahrzehnte später in Erinnerung bleiben. In dieser WAZ-Serie wollen wir in unregelmäßigen Abständen an „Kultkneipen“ erinnern, die es heute nicht mehr gibt, die aber ein Buer verkörpern, an das sich viele Menschen auch heute noch gern erinnern: Mit einer lebendigen, vielfältigen Gastroszene, in der jede oder jeder die Kneipe seiner Wahl finden konnte.

Gelsenkirchener Kneipe hatte bis in den Morgen hinein geöffnet

Das Old Inn: Diese Kneipe gibt es heute nicht mehr, es gibt nicht einmal mehr das Gebäude, in dem sie lag. Ende 2008 wurde es abgerissen, im Rahmen des Umbaus der Domplatte in Buer. Das Old Inn befand sich im zugegebenermaßen nicht wirklich ansehnlichen Gebäude, in dessen Erdgeschoss und erster Etage auch das Domcafé seinen Sitz hatte. Heute steht dort der Neubau mit dem Rewe-Supermarkt und den Seniorenwohnungen.

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Wobei: Zumindest in den späteren Jahren hatte das Old Inn einen etwas zweifelhaften Ruf. Dass einem hier auch mitten in der Nacht noch die Türen geöffnet wurden, war in der ganzen Stadt bekannt, und so zog die Kneipe natürlich alle Arten von Nachtschwärmerinnen und Nachtschwärmern an. Die bekamen im Old Inn nicht nur ein warmes Plätzchen an der Theke und ein frisch gezapftes Bier, sondern auf Nachfrage auch schon einmal ein Baguette oder eine (Tiefkühl-)Pizza – ideal nach einem langen Abend oder einer ausgedehnten Kneipentour.

Die Ursprungsidee: Eine Kneipe wie ein britischer Pub

Dabei hatte alles sehr solide angefangen: Als das Old Inn nämlich Mitte der 1970er-Jahre eröffnet wurde, da hatte Gründer und Inhaber Heinz Prüsener alles andere als eine verruchte Bar im Sinn. „Ich wollte einen englischen Pub aufmachen, wie es ihn damals in Buer noch nicht gab“, erinnert sich der heute 78-jährige Gastronom – so lässt sich auch der britisch anmutende Name erklären. Im Jahr 1974 war das Gebäude an der Domplatte gebaut worden: Ein weißer Flachdachbau im nüchternen Stil der Zeit. Dort betrieb die Familie Lange das Domcafé, im Erdgeschoss befanden sich diverse Geschäfte – und über einen Seiteneingang betrat man das Old Inn.

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Prüsener hatte damals schon mehrere Gastronomiebetriebe in Gelsenkirchen geleitet, war auch Inhaber der legendären Kaiserau, die in den 1970er-Jahren ihre Hochzeiten erlebte. Von der Kaiserau sollte auch das Old Inn profitieren. „Dort sollte es nicht nur Getränke, sondern auch Essen geben“, erzählt Prüsener. „Wir haben im Old Inn einen Teil der Karte aus der Kaiserau angeboten – und das, obwohl die Küche der Kneipe nur sehr klein war.“ Trotzdem: „An guten Tagen sind dort 40 bis 50 Essen über den Tresen gegangen.“

Vor allem Frauen sollten sich im Old Inn wohlfühlen

Bei der Einrichtung orientierte sich Prüsener an englischen Lokalen: Rund um die Theke, die den größten Teil des Raums einnahm, gruppierten sich schwere Ledersessel, ansonsten boten Tische am Rand Sitzgelegenheiten. „Es war von Anfang an ein richtig schöner Pub“, schwärmt Heinz Prüsener noch heute – und er habe stets Wert darauf gelegt, dass dort viele Frauen verkehren. „Ein Laden läuft nur dann, wenn Frauen da sind – dann kommen die Männer von ganz alleine“, sagt er und lacht. So habe er etwa darauf geachtet, dass die Musikwünsche der weiblichen Gäste erfüllt wurden: „Wenn ein DJ das nicht gemacht hat, hat er Ärger mit mir bekommen“, so Prüsener. Sogar in Zeitungsanzeigen habe er damit geworben, dass das Old Inn eine Kneipe sei, in die Frauen auch unbesorgt allein gehen könnten – und handelte sich damit Ärger mit einer anderen Gastronomin ein. „Die Inhaberin des Hexenhäuschens hat sich beschwert und gesagt, dass das auch für ihre Kneipe zutreffe“, sagt Prüsener. Die beiden hätten sich aber schnell wieder vertragen.

Bis Ende der 1970er-Jahre führte der Gastronom das Old Inn, bevor er es in andere Hände gab, und sich die Kneipe auf der Rückseite des Domcafés zu dem entwickelte, was sie bis zuletzt war: Ein Ort für die Übriggebliebenen der Nacht. Immerhin: Dort bekam man auch mitten in der Woche noch nachts um halb vier ein Bier. Heute sucht man danach meist vergeblich.