Gelsenkirchen-Buer. Zehn kurze Jahre lang gab es das Kronski in der Markthalle in Buer – doch im Gelsenkirchener Norden hat die Kneipe ihre Spuren hinterlassen.

Epizentrum nennt man in der Geologie den Punkt, an dem ein Erdbeben am stärksten ist, an dem man die Erschütterungen am stärksten wahrnimmt. Wenn es Anfang dieses Jahrtausends ein Epizentrum der Partyszene in Gelsenkirchen-Buer gab, dann war das wahrscheinlich das Kronski. Einmal im Monat wurde dort so richtig gefeiert – und die Schockwellen reichten weit über die Buerschen Stadtgrenzen hinweg.

Es gibt Kneipen in Buer, die vielleicht nicht für viele Jahre existierten, die aber dennoch auch Jahrzehnte später in Erinnerung bleiben. In dieser WAZ-Serie wollen wir in unregelmäßigen Abständen an „Kultkneipen“ erinnern, die es heute nicht mehr gibt, die aber ein Buer verkörpern, an das sich viele Menschen auch heute noch gern erinnern: Mit einer lebendigen, vielfältigen Gastroszene, in der jede oder jeder die Kneipe seiner Wahl finden konnte.

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Legendärer Gelsenkirchener Gastronom gründete das Kronski im Jahr 1999

Wenn man die Buersche Markthalle heute betrachtet, wie sie da wie ein dunkler, trauriger Klotz auf dem Marktplatz steht, mit verschlossenen Türen und einem Bauzaun davor, dann fällt es schwer, sich vorzustellen, dass dort vor 20 Jahren das Leben tobte. 1999 wurde die Markthalle eröffnet, und damit auch eine Kneipe, deren Namen bei denen, die damals dabei waren, noch immer Erinnerungen an wilde Partys weckt: das Kronski.

Die Idee für das Kronski hatte der Buersche Gastronom Thilo Pietsch, der schon mit dem Zutz und der legendären Disco (so nannte man damals das, was man heute Club nennt) Hugo I zwei erfolgreiche Betriebe geleitet hatte. „Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich mit Thilo im Zutz gesessen habe und er die Blaupause für den neuen Laden hervorgeholt hat“, sagt Stefan Diete. Er hat viele Jahre lang im Kronski an der Tür gestanden – und kennt den Laden wie kaum ein anderer.

Dieses DJ-Kollektiv sorgte regelmäßig für Stimmung bis in den frühen Norden

„Wir hatten eine harte Tür“: Stefan Diete arbeitete von 1999 bis 2005 als Türsteher im Kronski.
„Wir hatten eine harte Tür“: Stefan Diete arbeitete von 1999 bis 2005 als Türsteher im Kronski. © WAZ | Matthias Heselmann

Zur Marktseite hin gelegen, nahm das Kronski eine Hälfte des Obergeschosses des Gebäudes ein – an fast alles Tagen. In der Regel einmal im Monat aber breitete sich das Kronski über die gesamte Markthalle aus: Dann wurde das Erdgeschoss zur Tanzfläche, dann legte das DJ-Kollektiv „These charming men“ auf. Und in Nullkommanichts hatte sich herumgesprochen, dass diese Partys etwas Besonderes waren. „Wir hatten Abende, da kamen 2500 Leute in die Markthalle“, erinnert sich Diete.

These charming men: Das waren am Anfang Frank Hoitz und Jörg Wickermann, die den Namen einem Song der britischen Kultband The Smiths („This charming man“) entnahmen. Später machte unter anderem Daniel Ullrich unter diesem Label weiter. Er ist noch heute überzeugt davon, dass die spezielle Musik, die These charming men auflegten, einen Teil der Magie ausmachten. „Wir hatten kein ganz so junges Publikum“, erinnert er sich, „in der Regel waren die Leute von Mitte 20 bis Mitte 40“, sagt er. „Da kann man eine gewisse musikalische Reife erwarten – und die haben wir bedient. Wir haben dann auch schon einmal eher unbekanntere B-Seiten gespielt.“ Bis morgens um sieben wurde in der Markthalle abgefeiert – bis traditionell der Song „San Francisco“ dem Treiben ein Ende setzte.

Leute kamen bis aus dem Rheinland nach Buer

„Wir hatten eine harte Tür“, erinnert sich Stefan Diete – seiner Meinung nach ein Grund dafür, dass es, abgesehen von kleineren Zwischenfällen, in der Regel ruhig und gesittet zuging. Die strenge Einlasskontrolle sei nötig gewesen: „Es waren die späten 90er- und frühen Nuller-Jahre“, sagt Diete, „da war es nicht ungewöhnlich, dass Leute ,verschnupft’ zur Party wollten.“ Drogen und Betrunkene mussten aber draußen bleiben – dafür sorgte Diete, der trotz allem noch heute von der Zeit schwärmt: „Als das Kronski aufgemacht hat, kam es genau zur richtigen Zeit: Buer hat nach so einem Laden förmlich gedürstet.“ Dass der Einzugsbereich weit über Buer hinausreichte, hätte man am Wochenende an den Nummernschilder der Autos ablesen können, die auf dem Marktplatz parkten: „Die kamen teilweise sogar aus dem Rheinland ins Kronski“, sagt Diete.

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Auch in der DJ-Szene hatte sich schnell herumgesprochen, dass es in Buer einen ganz besonderen Club gab: „Teilweise kamen DJs aus England, um hier aufzulegen.“ Und natürlich gab es auch prominente Gäste: Schalke-Profis wie Ralf Fährmann oder Gerald Asamoah schauten öfter vorbei – was Stefan Diete schon einmal vor Probleme stellte. „Ich habe keine Ahnung von Fußball“, sagt er und lacht: Mehrfach habe ihn erst sein Chef darüber informiert, dass er hier gerade einem Promi den Einlass verwehren wollte.

Im Jahr 2009 war es mit dem Kronski vorbei

Daniel Ullrich denkt auch noch gern an die Kronski-Zeiten zurück: „Obwohl unser DJ-Pult direkt an der Tanzfläche stand, gab es nie Stress, alle waren immer sehr entspannt.“ Ganz und gar nicht entspannt sei dagegen die Toiletten-Situation gewesen: „Viel zu wenige Toiletten für viel zu viele Leute“, fasst Diete zusammen: „Heute wäre das vermutlich nicht mehr genehmigungsfähig.“

Doch trotz allem: Irgendwann war die Luft raus. Mitte der 2000er-Jahre gab es einen Besitzerwechsel, 2009 schloss das Kronski seine Türen, in den folgenden Jahren gaben die meisten Händler in der Markthalle auf – der Rest der Geschichte ist bekannt, heute steht der Bau leer, ein Ende des Leerstandes ist nicht abzusehen. Das Kronski lebt nur noch in der Erinnerung weiter – wer aber einmal da war, wird es bestimmt nicht vergessen.