Gelsenkirchen. Immer wieder ersteigern zwielichtige Geschäftemacher Schrotthäuser, zahlen einen Bruchteil und machen große Gewinne. So soll das gestoppt werden.
Zu mitunter völlig überzogenen Preisen ersteigern windige Geschäftemacher immer wieder Schrottimmobilien im Ruhrgebiet, nutzen Leid und Unwissenheit wohnungssuchender Menschen aus und machen große Gewinne, ohne in die heruntergekommenen Gebäude zu investieren. Und bevor der komplette Kaufpreis für das Haus fällig wird, gehen die neuen Immobilieneigentümer schon wieder in die Insolvenz und verschwinden von der Bildoberfläche. Das sanierungsfällige Gebäude wird erneut versteigert und dasselbe Spielchen beginnt von vorne. Zurück bleiben Schandflecke im Stadtbild und Kommunen, die dem Treiben machtlos gegenüberstehen. Jedenfalls noch.
Bei Zwangsversteigerungen sind nur zehn Prozent des Verkehrswertes als Sicherheitsleistung sofort zu bezahlen, der Rest bis Fristablauf. Bis ein zwangsversteigertes Haus gegebenenfalls wieder unter den Hammer kommt, vergeht meist mindestens ein Jahr. Zeit, in der die häufig unangemessen hohen Mieteinnahmen die gezahlte Sicherheitsleistung spielend übertreffen. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will diesem Teufelskreis nun ein Ende setzen. Sein Ministerium hat dafür einen Gesetzesvorschlag erarbeitet, den der Gelsenkirchener exklusiv in der WAZ vorstellt.
Kommunen sollen bei Gericht einen unabhängigen Verwalter bestellen können
Buschmann will nun, dass Kommunen, die den dringenden Verdacht haben, dass es sich bei den Immobilienersteigerern um Personen mit unseriösen Interessen handelt, bei Gericht die Verwaltung für das Gebäude durch einen unabhängigen Verwalter beantragen können. Das kann etwa der Fall sein, wenn für eine Immobilie „Mondpreise geboten werden“, berichtet der Justizminister.
Damit soll im besten Fall schon präventiv verhindert werden, dass die Gebäude bei Bieterverfahren in schwindelerregende Höhen hochgetrieben werden, bei denen Kommunen, die das Haus kaufen und abreißen oder sanieren wollen, nicht mithalten können.
„Andere Instrumente haben bisher nicht ausreichend funktioniert“, sagt Buschmann und verweist auf die Gelder, die die Bundesregierung Städten wie Gelsenkirchen zur Verfügung gestellt hat, um eigentlich nicht mehr markttaugliche Immobilien aufzukaufen. „Deshalb setzen wir jetzt anders an und geben den Kommunen das Instrument der Verwaltung an die Hand. Es ist dann der Verwalter, der bestimmt, wie die Immobilie ökonomisch genutzt wird, bis der gesamte Kaufpreis bezahlt ist. So können wir sicherstellen, dass es bei Zwangsversteigerungen nicht zu diesen unseriösen Geschäftsmodellen kommt. Die Verwalter haben das Hausrecht. Ich bin davon überzeugt, dass alleine die Existenz dieser Möglichkeit dafür sorgen wird, dass es gar nicht mehr zu dem Versuch kommen wird, dieses Geschäftsmodell zu betreiben“, so Buschmann.
Bundesjustizminister ist zuversichtlich, dass das Gesetzesvorhaben zwielichtigen Schrotthaus-Geschäftemachern das Handwerk legen kann
Vor wenigen Wochen noch hatte Ina Scharrenbach (NRW-Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau), bei einem Besuch in Gelsenkirchen deutliche Zweifel daran geäußert, dass die Bundesregierung das Geschäft mit den Schrottimmobilien ernst nimmt. „Es gibt offenkundig Menschen, die mit viel Geld in Plastiktüten Immobilien bei Zwangsversteigerungen erwerben“, sagte Scharrenbach. Daher sei es schon einmal gut, dass der Bund den Barkauf von Immobilien verboten hat. „Das ist ein wichtiger Schritt, nicht nur für Gelsenkirchen.“ Ob und inwieweit es dem Bund auch gelinge, das Zwangsversteigerungsgesetz entsprechend zu reformieren, sei jedoch fraglich. „Da bin ich verhalten“, so Scharrenbach.
Zuversichtlich dagegen ist Marco Buschmann, der überzeugt ist, dass sein Gesetzesvorhaben nun das entscheidende Instrument sein wird, um zwielichtigen Schrotthaus-Geschäftemachern das Handwerk zu legen.
So läuft das Geschäft mit den Schrottimmobilien bisher
Die Geschäftemacherei mit Schrottimmobilien hat im Ruhrgebiet im großen Stil etwa 2014 begonnen. Seitdem dürfen im Rahmen der EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit auch Bulgaren und Rumänen ohne gesonderte Erlaubnis in Deutschland arbeiten. Nicht selten werden den Südosteuropäern schon in ihrer Heimat große Versprechen von einem besseren Leben im reichen Deutschland gemacht – und um ihnen den Einstieg zu erleichtern, gibt es gegen eine Vermittlungsgebühr natürlich auch eine Wohnung, in Gelsenkirchen etwa, die schon warte. Ab dann klingelt die Kasse der Schrotthaus-Geschäftemacher so richtig.
Zumal diese Wohnungen häufig pro Matratze vermietet werden. Gerechnet wird Kennern zur Folge mit der Faustformel: etwa zehn Quadratmeter pro Kopf. Bei einer 80 Quadratmeter großen Wohnung mit einer Miete von fünf Euro pro Quadratmeter fallen unter normalen Umständen 400 Euro im Monat an. Wenn man die Unterkunft aber pro Bett für 250 Euro an den Mann oder an die Frau bringt, kommt das Fünffache an Mieteinnahmen zusammen – 2000 Euro pro Monat. Im Falle von Mehrfamilienhäusern kommen so monatlich fünfstellige Beträge zusammen – und das, obwohl die Gebäude nach hiesigen Ansprüchen oftmals kaum bewohnbar sind.
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Bisher waren Stadtverwaltungen, denen dieses Treiben ein Dorn im Auge ist, relativ machtlos. Zwar gibt es in einigen Städten wie in Gelsenkirchen eine Taskforce, die solche Problemimmobilien immer wieder aufsucht und jeden bautechnischen, brandschutzrelevanten oder sozialbetrügerischen Verstoß ahndet. Doch im Großen und Ganzen lässt sich das Problem damit nicht erkennbar bekämpfen.
Und auch Gelder aus Stadtentwicklungsprojekten, die den Kommunen ermöglichen sollen, derartige Gebäude aufzukaufen, reichen ohne eine Gesetzesänderung, wie der Justizminister sie nun vorschlägt, nicht aus. Gelsenkirchen soll vom Land bis 2032 zwar bis zu 100 Millionen Euro bekommen, um 3000 nicht mehr marktgerechte Wohneinheiten vom Markt nehmen zu können, aber wenn Schein-Investoren im Bieterstreit bei Zwangsversteigerungen horrende Summen bieten und letztlich nur einen Bruchteil davon bezahlen, würden auch die 100 Millionen Euro nicht lange reichen.
Gelsenkirchens Stadtverwaltung hält eine Marktbereinigung durch einen Rückbau von Wohnungen zur Reduzierung des auf derzeit 9000 Wohneinheiten geschätzten Wohnungsüberhangs für nötig. Darunter haben die Stadtplaner allein rund 500 Schrottimmobilien ausgemacht, bei denen eine Sanierung in keinem gesunden Kosten-Nutzen-Verhältnis stünden.
Das geplante Gesetz könnte im Frühjahr verabschiedet werden.