Gelsenkirchen-Bismarck. Die Volxbühne im Consol-Theater in Gelsenkirchen nimmt „Der Drops ist gelutscht“ wieder auf. Das „Junge Ensemble“ klopft Phrasen und Fragen ab.

Junge Menschen spielen junge Menschen. Alle tragen graue Hosen, da sind sie gleich. Die Hemden sind bunt, für jeden eine andere Farbe. „Der Drops ist gelutscht“, ein eigenes Stück des „Jungen Ensembles“ der Volxbühne, wird im Consol-Theater als Wiederaufnahme gegeben. Der Name ist Programm: Es geht um die Fragen und Phrasen im Leben und den Sinn dahinter. Wenn es denn einen gibt.

Das „Junge Ensemble“ schafft es, mit viel Musik und Tanz, Spielfreude und Leidenschaft ein furchtbar dröges Kapitel der menschlichen Kommunikation darzustellen und nahezu genüsslich zu zerlegen. Denn was für junge Menschen die Fragen des Lebens sind, erntet tatsächlich Phrasen. Oft gereimt, oft verballhornt, aber vor allem: immer leer.

Die Wohngemeinschaft der Gelsenkirchener Volxbühne im Streit

„Es gibt doch für alles eine Lösung“ schmieren sich die Gruppenmitglieder gegenseitig aufs Brot, ein Satz zum Umdrehen, auf „Null“ drücken, und neu anfangen. Das können nicht alle, die sich in den Fragen verlieren, wie sich in „Der Drops ist gelutscht“ zeigt.

Ein reduziertes Bühnenbild gibt dem „Jungen Ensemble“ der Volxbühne am Consol-Theater viel Raum für Bewegung in „Der Drops ist gelutscht“.
Ein reduziertes Bühnenbild gibt dem „Jungen Ensemble“ der Volxbühne am Consol-Theater viel Raum für Bewegung in „Der Drops ist gelutscht“. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Denn es wird immer wieder gewechselt in eine fiktive Szenerie, in der ein Mensch auf dem Firmenhochhaus steht. Er ist bereit zu springen, vielleicht, denn niemand spricht mit ihm, nur über ihn. Aber die Gaffer unten fragen nur: „Muss das sein? Ausgerechnet heute?“, oder „Ist das nicht die Bedienung aus dem Starbucks?“.

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Wieder zurück in der Wohngemeinschaft geht es ums Aufstehen, wenn Schule, Berufsschule oder Uni anstehen, um Karriere, um Geld, ja sogar um Frisuren und das schicke Kleid für ein Date. Ohne Worte stellt das Ensemble das verbissene Tauziehen dar, das die zwei Seiten gegeneinander in den Wettkampf schickt. Zwischendurch meldet sich der Alltag mit seinen Zwängen: „War schon einer mit dem Hund draußen?“.

Bildhaft lässt das „Junge Ensemble“ die Zeit fließen

Aber es ist auch Platz für die bildhafte Ausformulierung, was denn passieren würde, wenn man jetzt den Wecker an die Wand wirft, statt zu „snoozen“ oder eben aufzustehen: „Von einem diffusen Fleck an der Wand fließt die Zeit herunter.“

„Muss das denn sein?“ ist keine ernst gemeinte Frage, wenn auf dem Hochhaus jemand bereit zum finalen Sprung ist. „Der Drops ist gelutscht
„Muss das denn sein?“ ist keine ernst gemeinte Frage, wenn auf dem Hochhaus jemand bereit zum finalen Sprung ist. „Der Drops ist gelutscht" des „Jungen Ensembles“ im Consol-Theater in Gelsenkirchen stellt solche Fragen in Frage. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Von den jungen Menschen werden permanent Entscheidungen gefordert, Haltungen, Meinungen. Wenn einer sagt „Ich kann doch nicht zu allem meinen Senf geben“, verhallt das unter dem Getöse der Phrasen. „Du bist nur du, wenn du die Kontrolle hast“, da lässt die Anspielung auf die Fernsehwerbung das Publikum kichern.

„Ich hab’ kein Anliegen“ ist eine der leisen Anmerkungen an das Tribunal, das die Gruppe spontan bildet. Doch der Gruppendruck auf den Einzelnen nimmt zu. Sie bohrt immer wieder nur, wenn das Gespräch nicht auf die Spitze kommt: „Und was ist nun mit deinem Anliegen?“. Was ein Austausch werden sollte, wird weggewischt mit einem abfälligen „Jetzt krieg dein Leben mal in den Griff!“.

Ob es ein Mitglied der Gruppe ist, das auf dem Hochhaus steht, bleibt offen. Was in den Beuteln ist, die von der Decke langsam auf die Bühne herabsinken, wird nicht gezeigt. Denn auch, wer sich den Fragen und Phrasen widersetzen will, hat wohl sein Päckchen zu tragen.

Die Frage am Schluss ist auch ein Anfang

Ganz am Ende läuft alles auf die zentrale Formulierung und damit quasi die Kardinalfrage zu: „Was soll das Theater?“. Dahinter steht mehr, steht alles, denn das ist nur das Ende des Stückes.

Wenn Theater den Spiegel zückt, in dem sich jeder sehen kann, sollte er sich auch selbst erkennen können. Und sollte jeder auch den Sinn für jedes Wort wählen, statt nur zu reden.

Großer Beifall nach einer knappen Stunde mit „kurzweiligem Programm“, wie Regisseurin und Leiterin Ulrike Brockerhoff meint. „Ich würde es gern im Repertoire lassen“, schickt sie noch hinterher. Denn es gibt noch viel mehr hinter den vielen Phrasen zu enttarnen...

Volxbühne „Junges Ensemble“

Ulrike Brockerhoff, Leiterin des „Jungen Ensembles“ erinnert sich lachend daran, dass die Truppe auch schon im Lüfter auf dem Consol-Gelände oder in der Sammlung Thiel im Maschinenhaus gespielt hat. „Die gehen jeden noch so ungewöhnlichen Weg“ unterstreicht sie stolz die Leistung des Amateur-Teams. Einige Mitglieder kennt sie bereits 14 Jahre.

Gebremst durch die Corona-Beschränkungen zog sich die Ausarbeitung des Stücks „Der Drops ist gelutscht“ über mehr als ein Jahr hin. https://www.consoltheater.de/