Gelsenkirchen. „Die Letzte Generation“ klebt sich nicht auf Gelsenkirchens Straßen, „Fridays for Future“ sind fast verschwunden. Aber es gibt neue Aktionen.

„Die Letzte Generation“ hat sich bislang nicht auf die Kurt-Schumacher-Straße oder eine andere Hauptverkehrsader in Gelsenkirchen geklebt. Und auch die Ortsgruppe von „Fridays for Future“ (FFF) scheint in der Versenkung verschwunden zu sein – zum letzten globalen Klimastreik am 15. September gab es keine Demonstration in der Emscherstadt. Ist er also tot, der Klimaaktivismus in der Stadt? Offenbar formiert er sich nur neu – in Form des „Klimakollektivs“, das jetzt seine erste Aktion gestartet hat.

Hinter der neugegründeten Gruppe steckt auch einer der Köpfe, die bislang das Gesicht des Klimaaktivismus in Gelsenkirchen waren: Jan Bretinger, mittlerweile 21 Jahre alt, lief seit den Anfangstagen vorne bei den Fridays mit, war der Sprecher der Ortsgruppe, wurde von der Verwaltung in verschiedene Gremien eingeladen, um seine Perspektive bei Klima-Entscheidungen einzubringen. Und er gibt jetzt zu: „Wir wissen nicht, ob es ,Fridays for Future’ Gelsenkirchen weiter geben wird.“ Statt sich aber aus dem Aktivismus zurückzuziehen, mischt der Biologie-Student jetzt bei dem „Klimakollektiv“ mit.

Gelsenkirchener Klima-Aktivisten: „BP ist einer der größten Klima-Killer der Welt“

Bislang sei man noch in der Gründungsphase, ein Dutzend Leute mischten bereits mit, so Bretinger. Dies seien sowohl Minderjährige als auch über 60-Jährige, sowohl Studenten als auch Langzeitarbeitslose, sowohl Teilnehmer früherer Klimademos als auch Neulinge. „Wir wollen uns mehr öffnen, da FFF sehr als Jugendorganisation wahrgenommen wird“, erklärt der junge Gelsenkirchener. Und man wolle auch bei den Aktionen vielseitiger werden.

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Das "Klimakollektiv" Gelsenkirchen hat dieses Banner an der Kanalbrücke an der Grothusstraße angebracht. © Presse | Klimakollektiv Gelsenkirchen

Statt am Tag des globalen Klimastreiks eine Demo anzumelden, hat das „Klimakollektiv“ daher ein fünf Meter langes Banner an der Kanalbrücke an der Grothusstraße in direkter Nähe des Ölhafens angebracht, von wo aus der Energiekonzern BP seine Produkte per Schiff exportiert. Darauf geschrieben steht: „In Gelsenkirchen und weltweit: BP und Co. zerstören unser Klima“. Bei BP hatte man zuletzt Investitionen in Höhe von zehn Milliarden Euro bis 2030 angekündigt, die auch in die CO2-freundlichere Umstellung des Konzerns fließen sollen. Für die Aktivisten aber ist klar: BP ist „einer der größten Klima-Killer der Welt“. Dort expandiere man auch beim Geschäft mit fossilen Energieträgern weiter, obwohl der Ausstieg aus dem Geschäft mit Blick auf die Klimaziele nicht früh genug kommen könne.

Welche Aktionen das „Klimabündnis“ darüber hinaus umsetzen wird, steht noch in den Sternen. Straßenblockaden nach dem Vorbild der „Letzten Generation“ werden es aber wohl nicht sein. „Das ist nicht ganz meine Aktionsform“, sagt nämlich schon einmal Jan Bretinger. „Zivilen Ungehorsam lehne ich sicherlich nicht ab.“ Er habe als Aktivist jedoch andere Strategien. Ärgerlich sei, dass nach den Protesten der „Letzten Generation“ vor allem über die polarisierenden Aktionen anstatt über den Klimaschutz an sich gesprochen werde. „Das ist aber nicht nur Sache der Aktivistinnen und Aktivisten, sondern sicher auch Schuld der Politik und der Medien“, meint Bretinger.

Keine Lokalpolitik: „Sehe mich weiterhin als Außenstehender“

Beim „Klimakollektiv“ wolle man nun „mehr Basisarbeit leisten“ und versuchen, „Schichten in der Bevölkerung zu erreichen, die beim Thema Klima bislang häufig nicht erreicht wurden“, sagt der Aktivist. Für ihn heißt das unter anderem, mit Blick auf Gelsenkirchen mehr den sozialen Ausgleich beim Klima im Blick zu haben. „Oder dass man darüber redet, dass man bei BP milliardenschwere Profite macht, während die Bevölkerung mit gestiegenen Preisen an der Tankstelle klarkommen muss.“

Dass Gelsenkirchen dafür kein einfaches Pflaster sei, das gibt Bretinger aber auch zu. Nicht nur bei den Fridays sei in Hochzeiten oft weniger los gewesen als in anderen Städten. „In Gelsenkirchen ist aktivistisch und politisch generell weniger los als in vielen anderen Städten“, sagt er. „Das liegt vermutlich daran, dass es eine sehr arme Stadt ist und viele Leute mit ihren eigenen Problemen beschäftigt sind.“ Zudem sei Gelsenkirchen keine richtige Universitätsstadt wie etwa Bochum, die typische Zielgruppe daher kleiner. „Klar, hier gibt es die Westfälische Hochschule. Aber sie ist nicht so groß und nicht so zentral in der Stadt verankert.“ Deswegen auch die angepeilte Öffnung für andere Gruppen durch das „Klimakollektiv“.

Jan Bretinger ist das Gesicht des Klimaaktivismus in Gelsenkirchen. Jetzt mischt er beim neugegründeten „Klimakollektiv“ mit.
Jan Bretinger ist das Gesicht des Klimaaktivismus in Gelsenkirchen. Jetzt mischt er beim neugegründeten „Klimakollektiv“ mit. © Jan | Bretinger

Dass Jan Bretinger nun weniger unter der FFF-Flagge handelt, birgt allerdings auch Probleme: Schließlich sind die Fridays fest eingebunden in klimapolitische Beratungsfolgen in der Gelsenkirchener Stadtverwaltung, machen unter anderem beim sogenannten „Klimabeirat“ mit – erst jüngst wurde dies wieder bestätigt, laut Bretinger wohlgemerkt ohne die Fridays vorab in Kenntnis darüber zu setzen. „Wir werden mit der Stadt in Kontakt treten, wie sich die Situation lösen lässt“, sagt der 21-Jährige.

Und warum er nicht einfach selbst in die Lokalpolitik geht? „Ich sehe mich weiterhin als Außenstehender“, sagt er. „Ich habe oft mit der Verwaltung und Politik Kontakt, aber habe gesehen, dass das nicht meine Welt ist.“ Zu bürokratisch sei sie, und auch zu träge, diese Welt.

Wer beim „Klimakollektiv“ mitmachen möchte, kann zu den offenen Treffen immer montags ab 17 Uhr im Jugendzentrum Spunk (Festweg 21 in Ückendorf) kommen.