Gelsenkirchen-Bismarck. „Mit den Nerven am Ende“: Das heftige Unwetter bescherte Gelsenkirchenern in manchen Siedlungen eine Schreckensnacht. So konnten sie sich retten.
Das heftige Unwetter in Gelsenkirchen in der Nacht zu Donnerstag (17. August) hat in Teilen Gelsenkirchens zu starken Überflutungen geführt. Gut 100 Rettungskräfte schwärmten nachts um 1 Uhr aus, um Bewohnern zu Hilfe zu eilen, überflutete Straßen und Keller leer zu pumpen oder umgestürzte Bäume wegzuräumen.
Besonders betroffen, weil in einer ausgeprägten Senke gelegen, war der Bereich Trinenkamp. Bis in die Vormittagsstunden war dort und auch an der Sellmansbachstraße kein Durchkommen möglich. Auf einer Strecke von 400 bis 500 Metern am Trinenkamp, zwischen Kleistraße und Laarstraße, so der Einsatzleiter der Feuerwehr, habe das Wasser gut 1,50 Meter hoch gestanden. Braune Wasserränder an den Häuserzeilen markieren die Höchststände der Wassermassen. Die Keller und Hochparterre-Wohnungen von gut 30 Häusern wurden am Trinenkamp geflutet, inklusive der umliegenden Gärten und abgestellten Fahrzeuge am Straßenrand und in den Hinterhöfen.
Päarchen nach Gelsenkirchener Unwetter: „Wir sind fertig, mit den Nerven am Ende“
Ein Päarchen räumt den neuen Wagen aus, der Mann, er ist am Fuß verletzt, kann auf seinen Krücken kaum das Gleichgewicht halten. Dennoch wühlt er sich das matschige Chaos im Innern durch. Vieles landet im Müllsack. Wie sie die Fluten erlebt haben, darüber wollen sie nicht sprechen. „Wir sind fertig, mit den Nerven am Ende“, sagen sie.
Mandy Munro (32) und Jo Keller (57) stehen mit gut einem Dutzend Nachbar auf einem solchen Hinterhof am Trinenkamp, manche darunter sogar barfuß, die Kleidung noch nach und selbst total erschöpft nach einer Schreckensnacht. Sie schippen Wasser aus ihren Autos, kehren Schlamm von den Sitzen. „Es war ein Alptraum“, sagen sie. Als das Wasser durch die Holzböden ihrer Wohnungen im Hochparterre drang, hätten sie schnell die wichtigesten Papiere in die Hand genommen und seien durch Fenster oder Treppenhaus durch die kalte braune Brühe ins Freie gewatet. Munro, die zweieinhalbjährige Tochter auf dem Arm, schlug sich mit ihrem Freund durchs Treppenhaus ins Freie.
„Unfassbar, gerade gespenstisch schnell kamen die Fluten, in Nullkommanichts standen wir in einem See“, sind sie acht Stunden später noch völlig erschüttert. Das letzte Mal, als sie so etwas miterlebt haben, das sei beim Pfingststurm Ela im Jahr 2014 gewesen. „Nur anders, unsere Betten und Couchen schwammen damals nicht im Wasser.“ Ob davon überhaupt noch etwas zu gebrauchen ist, daran hat Mandy Munro starke Zweifel. Die aufgequollenen Möbel, der ganze Dreck und erst der Geruch, der wohl bleibt. „Wahrscheinlich sind die Möbel ein Fall für den Sperrmüll.“
LEG bietet Flut-Opfern Unterkunft in Hotels an, Ängste wegen fehlender Versicherung
Ähnlich erging es den Umstehenden. Sie gönnen sich auf dem Hof gerade einen Schluck zu trinken, eine Betroffene hat Wasser und Dosen vom Einkaufsbesuch beim Vater in Belgien noch im Kofferraum und bietet selbstlos die Erfrischungen an. Geteiltes Leid ist halbes Leid.
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Erleichterung kommt bei ihnen auf, als ein LEG-Mitarbeiter verkündet, dass Handwerker in Anmarsch seien, um die Elektrik in den Mietwohnungen zu prüfen. Die Feuerwehr hatte zuvor die Häuser leer gepumpt, die Polizei nach und nach die Gebäude nach einem Sicherheitscheck freigegeben. „Wenn Wohnungen unbewohnbar sind, können Hotelzimmer als alternative Unterkunft angeboten werden“, sagt der LEG-Vertreter zu den Umstehenden. Nicht wenige Anwohner wollen aber zunächst mal abklären, ob sie nicht zunächst bei Freunden und Verwandten unterkommen können.
Viel mehr bewegt die Anwohner die Frage, wer für die ganzen Schäden aufkommt. Eine Frau meint, der Vermieter sei zuständig. „Nein, ihre Versicherung“, korrigiert sie der Mitarbeiter. Die Hausratversicherung, um genau zu sein, für die Wohnungseinrichtung. Das könnte für einige zu einem ernsthaften Problem werden. Denn: „Ich weiß gar nicht, ob ich so etwas überhaupt habe“, sagt einer.