Gelsenkirchen. Gelsenkirchen könnte von einem Umzug der WH in die City profitieren. Warum die SPD skeptisch ist, aber die CDU den „Knoten durchschlagen“ will.

In den nächsten Wochen und Monaten wird die Kommunalpolitik entscheiden, ob sie den Plänen der Stadtverwaltung zustimmt, und das ehemalige Zentralbadgelände sowie perspektivisch auch städtische Grundstücke drumherum nutzt, um dort ein neues, großes Berufskollegszentrum zu bauen. Angesichts des großen Potenzials sowohl für die Stadtentwicklung als auch für die von negativen Entwicklungen geplagte Innenstadt, gibt es aber auch etliche Befürworter für eine andere Nutzung der Fläche in Politik, Wirtschaft und unter WAZ-Lesern, wie Recherchen dieser Redaktion und Leserreaktionen zeigen.

Die Vision, die Westfälische Hochschule vom äußersten Rand der Stadt in ihre Mitte umzusiedeln und somit der Entwicklung urbanem, studentischem Lebens den Weg zu bereiten, ist in Gelsenkirchen nicht neu, bekommt durch das Filet-Baugrundstück an der Overwegstraße, das ursprünglich für eine neue Polizeihochschule gedacht war, gepaart mit den leergezogenen Filialen von Primark und Kaufhof an der Bahnhofstraße oder etwa dem Postgelände am Hauptbahnhof, aber erneut Aufwind.

Aus Sicht der CDU ist es an der Zeit einen neuen Anlauf zu unternehmen, um die WH in die Stadtzentren zu holen

„Der ehemalige Standort des Zentralbades und der Polizei-Inspektion ist Prestige-Standort in der Gelsenkirchener Altstadt. Die CDU-Fraktion hat daher bereits klargestellt, dass eine singuläre Nutzung für dieses Filetstück nicht infrage kommt und ein breites angelegtes Konzept aus unterschiedlichen inhaltlichen wie auch räumlichen Aspekten nötig ist. Deswegen würde sich auch eine Ansiedlung der Westfälischen Hochschule auf dem von uns vorgeschlagenen Campus für Bildung, Innovation, Technik und Sport (BITS) anbieten“, unterstreicht CDU-Ratsfraktionschef Sascha Kurth die Position seiner Partei. Im Juni hatte die CDU die „BITS“-Idee eingebracht, sie versteht darunter eine „Innovationsgemeinschaft mit Unternehmen, Wissenschaft und Bildung“.

Sascha Kurth (CDU): „Eine Ansiedlung der Westfälischen Hochschule auf dem von uns vorgeschlagenen Campus für Bildung, Innovation, Technik und Sport (BITS) würde sich anbieten“, so Kurth.
Sascha Kurth (CDU): „Eine Ansiedlung der Westfälischen Hochschule auf dem von uns vorgeschlagenen Campus für Bildung, Innovation, Technik und Sport (BITS) würde sich anbieten“, so Kurth. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Dabei denkt die CDU nicht nur an das Zentralbad-Areal, sondern will nördlich und südlich eine Klammer rund um die Innenstadt und die Bahnhofstraße bilden. „Schon seit vielen Jahren hat die CDU immer wieder Vorstöße unternommen, um die Westfälische Hochschule auch im Stadtsüden mit Angeboten oder einem Standort zu verankern. Der Zeitpunkt dafür ist jetzt günstig wie nie“, betont der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Ratsfraktion Markus Karl. „Zugleich befürworten wir auch ein Standortangebot der Westfälischen Hochschule in der Buerschen City. Dafür anbieten würde sich nach unserer Auffassung zum Beispiel das Gebäude der ehemaligen Saturn-Filiale in Buer.“

CDU-Fraktions- und Parteichef Sascha Kurth ergänzt: „Alle Impulse der letzten Jahre sind dabei an unterschiedlichen Vorstellungen und Interessen auch zwischen gesellschafts- und stadtentwicklungspolitischen Ideen von Politik und Stadt auf der einen Seite, und standort- sowie entwicklungsperspektivischen Vorstellungen der Hochschule auf der anderen Seite, gescheitert bzw. haben keine gemeinsamen Impulse hervorgebracht. Aus Sicht der CDU-Fraktion ist es an der Zeit einen neuen Anlauf zu unternehmen, um diesen Knoten an anderer Stelle vielleicht zu durchschlagen. Wir stehen daher bereits in Kontakt mit Landesbildungsministerin Ina Brandes, um mögliche politische Zielsetzungen zu besprechen.“

SPD Gelsenkirchen: Studentisches Leben stärker in den Zentren, aber Pläne bleiben „Luftschlösser“

Die SPD, die mit den Christdemokraten im Gelsenkirchener Stadtrat koaliert, zeigt sich indes sehr viel zurückhaltender in der aktuellen Debatte. „Das Ziel, studentisches Leben stärker in den Zentren zu etablieren, hat für die SPD eine hohe Bedeutung“, sagt Lukas Günther, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD-Ratsfraktion. Zugleich betont er aber auch, dass „jedwede Bemühungen, die Westfälische Hochschule auch räumlich näher an die Innenstadt anzubinden, in der Vergangenheit von der Hochschulleitung und vom Ministerium abgeschmettert wurden.“ Und solange diese nicht signalisierten, dass für solche Pläne „eine echte Perspektive existiert, bleiben es lediglich Luftschlösser“.

Lukas Günther (SPD): „Jedwede Bemühungen, die Westfälische Hochschule auch räumlich näher an die Innenstadt anzubinden, wurden in der Vergangenheit von der Hochschulleitung und vom Ministerium abgeschmettert.“
Lukas Günther (SPD): „Jedwede Bemühungen, die Westfälische Hochschule auch räumlich näher an die Innenstadt anzubinden, wurden in der Vergangenheit von der Hochschulleitung und vom Ministerium abgeschmettert.“ © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Selber anstoßen mögen die Sozialdemokraten eine Debatte trotz der neuen räumlichen Chancen in der Innenstadt also nicht. Günther erklärt zwar, dass die SPD einer Umsiedlung der Hochschule in die Stadtmitte offen gegenüberstehe. Zugleich müsse die Diskussion vom alten Zentralbadgelände aber gelöst werden. Denn der Handlungsdruck bei den Berufskollegs sei so hoch, dass „eine Abwanderung von Berufsbildungsgängen droht, wenn nicht zeitnah eine neue räumliche Lösung für die berufliche Bildung in unserer Stadt gefunden wird.“ Alternativlösungen gibt es für die SPD demnach nicht. „Eine längere Phantomdebatte um die Umsiedelung der WH ohne Aussicht auf Erfolg, geht unmittelbar zu Lasten der beruflichen Bildung.“

Ganz begraben will aber auch Günther das Thema scheinbar nicht. „Durch die von Oberbürgermeisterin Karin Welge vorgestellten Pläne zum Zukunftsquartier können perspektivisch weitere Flächen in unmittelbarer Innenstadtnähe für eine Hochschulumsiedlung in Betracht kommen“, sagt der 31-Jährige. Insofern sei die Schaffung eines Bildungscampus und die citynahe Umsiedelung der Westfälischen Hochschule für die SPD kein Widerspruch, sondern „vielmehr eine Perspektive“. Ins Gespräch bringt Günther dafür das Hibernia-Gelände gegenüber vom Hauptbahnhof, wo sich unter anderem die Deutsche Post befindet.