Gelsenkirchen. Am äußersten Rand der Stadt gibt es in Gelsenkirchen eine Hochschule mit Tausenden Studierenden. Jetzt könnte man die Uni in die City holen.
Wenn der Rat der Stadt am Donnerstag (10. August) zusammenkommt, nimmt der politische Betrieb in Gelsenkirchen nach der Sommerpause wieder Fahrt auf. In den nächsten Wochen und Monaten werden sich die gewählten Vertreter der Bürgerinnen und Bürger unter anderem auch mit einem großen Stadtentwicklungsprojekt beschäftigen, das für die sterbende Innenstadt von großer Bedeutung sein kann.
Auf dem ehemaligen Zentralbad- und Polizeiwachen-Gelände im Stadtsüden soll bekanntermaßen ein neues Schwimmbad samt Berufskollegskomplex entstehen. Jedenfalls sehen dies die Visionen der Stadtverwaltung vor. Denkbar ist demnach auch – wenn es eine Mehrheit und vor allem Finanzmittel dafür gibt – dass die VHS mit Stadtbibliothek abgerissen und neu- oder umgebaut wird, um eine Art modernes Bildungsquartier in direkter Nachbarschaft zum Musiktheater im Revier und am Fuße der Innenstadt zu gestalten.
Dass an dieser Stelle ein neues Schwimmbad gebaut werden soll, ist vergleichsweise unstrittig. Einen passenden alternativen Standort im Stadtsüden, der gut angebunden und für alle Schulen relativ schnell zu erreichen ist, hat die Stadt nicht gefunden, weil es diesen nicht gibt.
Dass das XXL-Gelände an der Overwegstraße Raum für einen neuen Berufskolleg-Campus bieten soll, ist indes nicht unumstritten. Fraglos gibt es viele, die die Pläne der Stadtspitze um Oberbürgermeisterin Karin Welge, Bildungsdezernentin Anne Heselhaus und Stadtbaurat Christoph Heidereich begrüßen – dazu zählen naturgemäß etwa die Leiter der Berufskollegs und Vertreter aus der Wirtschaft, die in einem integrierten, großen Berufskolleg die Chance für ein Alleinstellungsmerkmal in der beruflichen Ausbildung sehen.
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Horcht man aber etwas genauer in die Stadtgesellschaft hinein, so hört man aber auch immer wieder dieselbe Formel: „Siedelt doch die Westfälische Hochschule mit ihren 8000 Studentinnen und Studenten vom äußersten Rand der Stadt in die Mitte!“
Die Hoffnung, die damit verbunden ist, ist dass junge angehende Akademiker die Innenstadt beleben, studentisches Leben die Altstadt vitalisiert, Gastro- und Kulturszene zu neuem Leben erwachen und die schwindelerregende Negativspirale in der Innenstadt umgekehrt werden kann.
Argumente für und gegen eine Umsiedlung der WH sollten zumindest ausgetauscht werden
Fraglos sind einige der Berufskolleg-Gebäude in einem bemitleidenswerten Zustand, gründliche Sanierungen oder Neubauten sind nötig. Und man kann die Uhr danach stellen, wann das erste Mal in einer solchen Debatte das Gegenargument gebracht wird, das Einzugsgebiet der Westfälischen Hochschule erstrecke sich ja nun mal vor allem gen Norden, weshalb der bisherige Standort ja gerade so geeignet sei.
Eine Hochschule oder Universität, die so fernab der Stadt liegt, ist nicht mehr zeitgemäß. Schließlich liegt der Campus ja auch nicht wirklich nahe der Buerschen Innenstadt, so dass man zumindest vom universitären Flair des Nordens sprechen könnte. Das belegte auch eine Studie im vergangenen Jahr, die dem Hochschulstandort Gelsenkirchen schlechte Noten attestierte.
Jeder Stadtplaner würde sich vermutlich die Finger danach lecken, das zur Verfügung stehende Filetgrundstück im Stadtsüden gepaart mit den XXL-Leerständen von Kaufhof und Primark, in der Nähe des Wissenschaftsparks mit Studenten zu fluten. Dass der Standort überdies besser an den öffentlichen Nahverkehr angebunden ist, steht ohnehin außer Frage.
Es könnte eine historische Chance für die Innenstadtentwicklung in Gelsenkirchen sein
Natürlich gäbe es bei einer Umsiedlung der Westfälischen Hochschule viele Fragen zu klären: Wie integriert man das neue Zentralbad in die Pläne? Was würde der Erwerb und Umbau der ehemaligen Kaufhof- und Primark-Filialen kosten? Wie würde man den bisherigen WH-Campus weiter nutzen (vielleicht ja sogar als Standort für die Berufskollegs)?
Eine ernsthafte Debatte darüber sollten Lokalpolitik und Stadtverwaltung in jedem Fall führen. Dass hinter vorgehaltener Hand diese Vision immer wieder auch von Parteivertretern jeder Couleur geäußert, aber bislang nicht dafür öffentlich gestritten wird, wird Gelsenkirchen nicht gerecht. Eine städtebauliche Chance wie diese tut sich nur selten auf. Der Rat der Stadt und alle interessierten Bürger und Institutionen sollten intensiv abwägen, welche Potenziale hier schlummern.