Gelsenkirchen. Wer vom Unfallort flüchtet, begeht eine Straftat. Das passiert in Gelsenkirchen einige Mal pro Tag. Justizminister Buschmann will das ändern.
Um Polizei, Gerichte und Staatsanwaltschaften zu entlasten, plant Bundesjustizminister und Gelsenkirchener Marco Buschmann (FDP) die Bestrafung von Fahrerflucht zu verändern. Nach Vorstellung des Bueraners sollen Unfallfluchten ohne Personenschaden künftig nur noch als Ordnungswidrigkeit geahndet werden – und nicht länger als Straftat. Stadtrat Simon Nowack (CDU), Dezernent für Recht und Ordnung in Gelsenkirchen, sagt: „Wir als Stadt hätten dann künftig mehr zu tun – aber würden auch zusätzliches Geld einnehmen.“
Derzeit müssen Unfallbeteiligte, die sich entfernen, bevor Polizei oder der Geschädigte am Unfallort erscheinen, mit einer Geldstrafe oder bis zu drei Jahren Haft rechnen. Das könnte sich nach Buschmanns geplanter Reform des Strafgesetzbuches ändern – zumindest, wenn bei einem Unfall niemand verletzt wird. Flüchtige, die nur einen Sachschaden verursacht haben, würden dann künftig keine Straftat mehr begehen, sondern lediglich eine Ordnungswidrigkeit. Das heißt: Sie würden dann keine Post mehr von der Staatsanwaltschaft bekommen, sondern von der Stadt.
Nach Nowacks Leseart bedeutet der Vorschlag jedoch nicht, dass auch der Ordnungsdienst künftig zum Unfallort gerufen werden müsste. Er geht davon aus, dass dies weiterhin Aufgabe der Polizei sein wird. „Wir gehen davon aus, dass die Verfolgung weiterhin bei der Polizei liegt – so wie das weiterhin bei allen Fragen des fließenden Verkehrs ist.“ Dazu müsse man schließlich auch die Unfallflucht zählen.
Unfallflucht als Ordnungswidrigkeit: Mehr Aufwand, aber auch mehr Geld für Gelsenkirchen
Allerdings erwartet Nowack, dass die Polizei künftig nicht mehr der Staatsanwaltschaft das Verfahren zuleitet, sondern eben der Kommune. „Wie wären dann also in der Verantwortung, die Strafgelder zu erlassen“, so der Stadtrat. „Wir hätten damit mehr Aufwand, weil wir mehr Bußgeldbescheide schreiben müssten, bekommen aber auch das Geld.“ Die Geldstrafen würden also nicht mehr in die Landeskasse gehen, sondern in die Kasse der Stadt. Mehr Personalaufwand würden also höheren Einnahmen durch Bußgelder entgegenstehen. „Womöglich ein Nullsummenspiel, eine zusätzliche Belastung für die Kommunen darf dabei jedoch nicht entstehen“, so Nowack.
Die Fahrerflucht würde damit künftig beispielsweise so gehandhabt wie ein Parkverstoß an einer zugeparkten Feuerwehreinfahrt, der von einem Polizisten aufgenommen wird. Die Polizei muss in solchen Fällen ebenfalls tätig werden und erledigt die Tatsachenaufnahme – die restliche Papierarbeit und das Bußgeldverfahren werden dann aber von der Stadt übernommen.
Bundesjustizminister Buschmann hat zudem die Einrichtung einer Meldestelle ins Spiel gebracht. Hier könnten dann bei Fällen ohne Personenschaden digitale Meldungen mit Fotos des Schadens und ordnungsgemäßer Identifikation eingereicht werden. Das könnte die Kommunen dann möglicherweise personell bei ihrer neuen Aufgabe entlasten. Nach Ansicht des ADAC würde eine solche Meldestelle eine nachträgliche Schadensmeldung erleichtern. „Die Ahndung einer einfachen Unfallflucht als Ordnungswidrigkeit führt nicht zur Schlechterstellung der Geschädigten“, teilte man dort mit.
Unfallflucht: Aufklärungsquote in Gelsenkirchen bei unter 40 Prozent
Kritik dagegen kommt unter anderem vom Deutschen Richterbund: „Die Strafvorschrift hat sich bewährt und gibt den Gerichten ausreichend Spielräume, um Rechtsverstöße jeweils tat- und schuldangemessen zu bestrafen“, teilte der Interessenverband schon im April in einem Statement mit. Die Pläne könnten demnach vermutlich sogar für mehr Arbeit für die Justiz sorgen. Bußgeldbescheide können schließlich angefochten werden – womit dann wieder die Gerichte beschäftigt wären. Ein großer Teil der Strafverfahren werde dagegen eingestellt.
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In Gelsenkirchen gab es 2022 mehr als sechs Unfallfluchten am Tag. Laut Verkehrsunfallstatistik gab es in der Stadt im Jahr 2022 insgesamt 2247 Vorfälle, wovon 859 aufgeklärt wurden. Die Aufklärungsquote lag damit bei etwa 38 Prozent – und ist damit etwa auf Bundesniveau. Denn bundesweit gilt: Die Polizei kann Unfälle mit Fahrerflucht nur zu etwa 40 Prozent aufklären. Höher ist die Quote, wenn man nur die Verkehrsunfallfluchten mit Verletzen betrachtet. So wurden 2022 insgesamt 91 Unfallfluchten mit Personenschaden in Gelsenkirchen gemeldet, wovon 56 aufgeklärt werden konnten. Das ergibt eine Aufklärungsquote von rund 62 Prozent.