Gelsenkirchen. Für ihre sozialen Pflichtaufgaben muss Gelsenkirchen bekanntlich viel Geld ausgeben. Aber jetzt nähert sich die Stadt einer empfindlichen Grenze.
- Die Stadt Gelsenkirchen hat jetzt ihren Haushaltsplan für 2024 vorgelegt.
- Die Transferaufwendungen – das sind beispielsweise Kosten der Unterkunft oder Hilfen zur Erziehung - werden wohl noch mal erneut steigen.
- Darüber hinaus gibt es weitere Entwicklungen, die die Finanzen immer mehr in Schieflage bringen.
Transferaufwendungen wie Erziehungshilfen oder die Kosten der Unterkunft für Bürgergeld-Empfänger sind im armen Gelsenkirchen bekanntermaßen der mit Abstand größte Posten im Haushalt – allerdings steigen diese Kosten 2024 voraussichtlich noch mal deutlich. „Wir nähern uns jetzt der Hälfte unseres Haushalts bei diesen Aufwendungen“, sagte Kämmerer Luidger Wolterhoff anlässlich der Einbringung des Haushaltsplans fürs kommende Jahr. In Zahlen heißt das: Die Stadt rechnet 2024 mit Transferausgaben von satten 675,9 Millionen Euro, 2023 standen noch 609 Millionen Euro im Plan. Wolterhoff spricht von einer „enormen Belastung.“
„Besonders alarmierend“ stellt sich laut Stadt die Entwicklung im Bereich der Hilfen zur Erziehung dar, also der Unterstützung für Familien und Kinder in problematischen Lebenslagen, etwa durch Sozialpädagogen, welche die Familien besuchen. Aufgrund deutlich gestiegener Fallzahlen sowie gestiegener Personalkosten rechnet die Stadt 2024 mit 81,2 Millionen Euro für diese Hilfen, das sind mehr als doppelt so viel wie noch im Jahr 2019.
Kosten der Unterkunft in Gelsenkirchen: Kostenübernahme des Bundes reicht nicht aus
Extrem steigen werden 2024 auch die Kosten der Unterkunft, also die Übernahme der Miet- und Heizkosten für Bürgergeld-Empfänger und Geflüchtete. Gründe dafür sind laut Stadt die steigenden Flüchtlingszahlen und die anhaltende Zuwanderung armer Menschen aus Südosteuropa, aber auch die erhöhten Mietobergrenzen und gestiegenen Energiekosten. Die Faktoren führen zu einer angenommenen Steigerung von 55 Prozent im Vergleich zu 2019.
Zwar übernimmt der Bund einen erheblichen Teil der KdU, allerdings „vermag die anteilige Kostenübernahme des Bundes der beständigen Zunahme nicht Schritt zu halten“, stellt man bei der Stadt fest. Der kommunale Eigenanteil liegt 2024 bei rund 65 Millionen Euro.
Neben den explodierenden Transferaufwendungen muss die Stadt 2024 damit klarkommen, dass corona- und kriegsbedingte Haushaltsschäden nicht mehr isoliert im Haushalt aufgeführt werden dürfen. Bis jetzt konnte die Stadt Kosten wie etwa die extrem gestiegenen Energiepreise, die durch den Ukraine-Krieg zustande gekommen waren, gesondert aufführen. Diese Regelung hat das Land nun kurzfristig beendet.
„Das ist auch im Kern richtig, weil man sonst quasi einen Schattenhaushalt führen würde“, sagt Luidger Wolterhoff. „Nur gibt es seitens des Landes keine Antwort, wie mit den erhöhten Kosten umgegangen werden soll.“ Für den Gelsenkirchener Haushalt gehen mit dem Wegfall der Isolierung alleine im Haushaltsjahr 2024 Mindererträge von über 40 Millionen Euro einher.
Hohe Gewerbesteuereinnahmen können für Stadt Gelsenkirchen zum Problem werden
Und ein weiteres Problem sind – auch wenn es wie ein Widerspruch klingen mag – die zuletzt enorm gestiegenen Gewerbesteuereinnahmen von den Unternehmen der Stadt. Wie die WAZ berichtete, konnte die Stadt 2022 Rekord-Einnahmen von 230,11 Millionen Euro erzielen – das sind mehr als doppelt so viele wie 2021 und auch mehr als in allen 15 Jahren zuvor.
Was Wolterhoff als „einmaligen, coronabedingten Nachholeffekt aus 2020“ interpretiert, sorgt jedoch dafür, dass die Stadt im Nachgang geringe Zuweisungen vom Land erhalten wird. Jene Schlüsselzuweisungen – die mehr als ein Drittel der Gesamterträge der Stadt ausmachen – sinken nämlich, wenn die Gewerbesteuereinnahmen steigen. Ein Teufelskreis, der für die Stadt im kommenden Jahr etwa 50 Millionen Euro weniger Zuweisungen bedeuten könnte.
Warum Oberbürgermeisterin Karin Welge dennoch „optimistisch“ auf 2024 blickt und warum die Stadt trotzdem große Investitionen angeht, lesen Sie hier: OB Welge: „Wir können Gelsenkirchens Wunden schließen“. Mehr zum Thema lesen Sie außerdem hier: Finanzen: Warum Gelsenkirchen jetzt ein Risiko eingeht.