Gelsenkirchen. Personalmangel und zu wenig Kitaplätze: Auch Gelsenkirchens größter Kita-Träger kann nicht alle Ausbildungsplätze besetzen. Das sind die Zahlen:

Die Kindergärten des städtischen Trägers Gekita – der größte in Gelsenkirchen – sind seit Beginn der zweiten Ferienhälfte wieder geöffnet und nach und nach füllen sich die Gruppen immer weiter mit Kindern, die aus dem Sommerurlaub zurückkommen. Spätestens mit Beginn des neuen Schuljahres in der kommenden Woche dürfte allerorts wieder Hochbetrieb sein – und damit einhergehend auch wieder der Druck auf die Erzieherinnen und Erzieher wachsen.

Denn in Gelsenkirchen wie bundesweit sind zum Beginn des Ausbildungsjahres am 1. August etliche Erzieher-Lehrstellen unbesetzt geblieben. Auf Nachfrage der WAZ berichtet ein Sprecher der Stadtverwaltung, dass bei Gekita im August 69 neue Auszubildende und dual Studierende eingestellt worden sind. Dabei handele es sich um 30 Erzieherinnen und Erzieher in der praxisintegrierten Ausbildung (PiA), 23 Erzieherinnen und Erzieher im Anerkennungsjahr sowie zwei dual Studierende der Sozialen Arbeit.

Darüber hinaus habe Gekita dieses Jahr erstmalig die PiA-Ausbildungen zum Heilerziehungspfleger und zum Kinderpfleger angeboten und vier bzw. zehn weitere Auszubildende eingestellt.

„Leider konnten 17 Ausbildungsplätze für Erzieher im Anerkennungsjahr und ein Ausbildungsplatz für PiA-Heilerziehungspfleger nicht besetzt werden“, räumt der Stadtsprecher ein. Das bedeutet, dass fast jeder fünfte Ausbildungsplatz bei Gekita noch unbesetzt ist.

Dazu kommt, dass mit Stand vom 1. August 2023 76 der 1331 Stellen für pädagogisches Personal bei Gekita ohnehin nicht besetzt sind. Etwas Entlastung gibt es laut Stadtverwaltung zwar ab September, wenn 25 Anerkennungspraktikanten ihre Ausbildung abschließen und unbefristete Arbeitsverträge erhalten. Der dringende Bedarf nach mehr qualifiziertem Personal, um wenigstens die vorhandenen Stellen in den Kindergärten der Stadt zu besetzen, bleibt aber auch in Gelsenkirchen bestehen.

Und selbst wenn alle Stellen besetzt wären, bräuchte es noch mehr Personal, um den umfangreichen Integrations- und Inklusionsherausforderungen gerecht zu werden, mahnen Erzieherinnen und Erzieher, Fachleute und Gewerkschaften schon seit Jahren.

In NRW fehlen mehr als 100.000 Kitaplätze und 24.000 Erzieherinnen und Erzieher

Zumal es nicht nur an Fachpersonal mangelt, sondern auch an Kitaplätzen. Schließlich hat jedes Kind in NRW ab dem vollendeten ersten Lebensjahr bis zum vollendeten dritten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung oder in einer Kindertagespflege und ab dem vollendeten dritten Lebensjahr einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung fehlen in NRW aber mehr als 100.000 Kitaplätze und etwa 24.000 Erzieher.

Einen Anspruch auf einen Platz in einer U3-Betreuung haben rund 6000 Mädchen und Jungen in Gelsenkirchen, 12.267 Kinder sind zwischen 3 und 7 Jahre alt und hätten somit das Recht auf einen Platz in einer Kindertagesstätte. Diesen Bedarf kann Gelsenkirchen, trotz stetigen Ausbaus der Kapazitäten bei weitem nicht erfüllen.

Tausende Kitaplätze fehlen in Gelsenkirchen

Insgesamt soll es zum Kitajahr 2023/2024 über alle Träger verteilt rund 9700 Betreuungsplätze in der Stadt geben, davon etwa 7700 für alle Kinder über drei Jahre und rund 2000 Plätze für Kinder unter drei Jahre. Den größten Anteil schultert der städtische Träger Gekita mit rund 6700 Plätzen, gefolgt vom Kita-Zweckverband im Bistum Essen mit insgesamt 1410 Plätzen und der Evangelischen Kindergartengemeinschaft mit insgesamt 738 Kitaplätzen, berichteten die Träger noch vor wenigen Monaten.

Gerade vor dem Hintergrund, dass in Städten wie Gelsenkirchen viele Kinder mit ungenügenden Deutschkenntnissen eingeschult werden, was in der Folge enorme Herausforderungen für Schüler und Lehrer gleichermaßen mit sich bringt, wird in Fachkreisen auch über eine Kita-Pflicht diskutiert. Die Hoffnung dahinter: Wenn Kleinkinder in personell entsprechend gut ausgestatten Kindergärten Deutsch und ein grundlegendes Sozialverhalten lernen, dann ist es sehr viel wahrscheinlicher, die enormen Defizite auszugleichen, mit denen nicht wenige Grundschulen in Gelsenkirchen zu kämpfen haben.

Um diese Probleme zumindest ein wenig abzumildern, gibt es die „Erdmännchen-Gruppen“, die eine Art Brückengruppe und seit 2016 Bestandteil des Gekita-Angebots sind. Hier werden die in der Regel fünf bis sechs Jahre alten Kinder ohne Betreuungsplatz in ihrem letzten Lebensjahr vor Schuleintritt auf die Schule vorbereitet, sie erhalten Sprachförderung und lernen Kompetenzen (etwa einen Stift richtig zu halten), die für die anstehende Zeit von Bedeutung sind. Rund 90 Vorschulkinder nahmen im Kindergartenjahr 2022/23 dieses Angebot wahr. Ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Gäbe es eine Kitapflicht, müssten allein in Gelsenkirchen nach jetzigem Stand weitere 8000 Plätze geschaffen werden. Legt man die Empfehlung der Bertelsmann-Stiftung zum Personalschlüssel zugrunde, bräuchte es von Scholven bis Rotthausen weitere rund 1200 Erzieherinnen und Erzieher und zahlreiche neue Einrichtungen, um den rund 18.000 Mädchen und Jungen im Alter von 1 bis 7 Jahren einen Platz zu garantieren.