Gelsenkirchen. Eine Gelsenkirchenerin fürchtet um ihren Job, weil es keinen Betreuungsplatz für ihr Kind gibt. Die Regelung der Vergabe findet sie ungerecht.
Nina Oczylok ist 32 Jahre alt, die Gelsenkirchenerin ist alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, sechseinhalb Jahre und fünf Monate alt. Sie arbeitet als pädagogische Fachkraft in Recklinghausen, 35 Stunden in der Woche. Noch. Denn zurzeit sieht es ganz so aus, als müsste sie ihren Job nach den Sommerferien aufgeben. Der Grund: Ihr Sohn Adrian kommt dann in die Grundschule – und sie weiß nicht, wer ihn sonst nach der Schule betreuen soll.
Bisher hat sie es gut geschafft, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen: „Mein Sohn befindet sich in Ganztagsbetreuung, seit er eineinhalb Jahre alt ist, der kennt das nicht anders“, sagt sie. In der Kita sei das nie ein Problem gewesen. Auch die Großeltern hätten für den Notfall parat gestanden, seien aber inzwischen aus Gelsenkirchen weggezogen. „Ich war fest davon ausgegangen, dass mein Sohn, wenn er eingeschult ist, in den Offenen Ganztag kommt“, so Nina Oczylok – dass er also in der Schule bis zum Nachmittag betreut wird, auch wenn der Unterricht mittags endet.
Nina Oczylok schreibt auch Gelsenkirchens OB an
Im Februar hatte sie Bescheid von der Mährfeldschule in Hassel bekommen, dass ihr Sohn dort nach den Sommerferien die erste Klasse besuchen könnte – im April folgte dann aber ein Schreiben, in der ihr mitgeteilt wurde, dass es für Adrian keinen Platz im OGS-Bereich, also der Ganztagsbetreuung geben würde. Eine Nachricht, die Nina Oczylok aus allen Wolken fallen ließ. „Ohne die Betreuung durch die Schule weiß ich nicht, was ich mit meinem Jungen machen soll“, sagt sie. Eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit um einige Stunden, um zumindest nachmittags frei zu haben, sei nicht möglich – „dann käme ich finanziell nicht mehr klar“, sagt sie.
Mehrfach habe sie den Kontakt zur Stadt Gelsenkirchen gesucht, auch Oberbürgermeisterin Karin Welge direkt angeschrieben und um Hilfe gebeten – mehr als ein freundlicher Hinweis, dass man die Anfrage an die zuständige Stelle geleitet habe, kam aber bislang nicht zurück. „Ich fürchte, ich muss dann tatsächlich meinen Job kündigen“, sagt sie resignierend.
Nach diese Rangliste werden in Gelsenkirchen die OGS-Plätze vergeben
In Gelsenkirchen ist die Nachfrage nach OGS-Plätzen groß: Das bestätigt auch Detlev Kirchhoff, Abteilungsleiter für den Schulbetrieb und zurzeit kommissarischer Leiter des Referates Bildung. „Es gibt aktuell 3769 Plätze“, sagt er, „aber deutlich mehr Bewerbungen.“ Wie viele genau, dazu laufe gerade eine Erhebung, dass es deutlich mehr seien, als verfügbare Plätze, stehe aber fest.
Kirchhoff erklärte, nach welchen Kriterien bei der Stadt entschieden werde, wer einen Platz bekomme. „Bevorzugt werden Kinder mit zwei Elternteilen, die beide berufstätig sind“, so der Stadtvertreter. Wenn diese Familien einen Platz hätten, käme die nächste Gruppe an die Reihe: Berufstätige Alleinerziehende. In der Regel sei es aber so, dass bereits für diese Gruppe nicht genügend Plätze zur Verfügung stehen.
Anspruch auf einen Platz wird nur einmal überprüft
Eine Regelung, die bei Nina Oczylok heftiges Kopfschütteln auslöst – um es vorsichtig zu formulieren. „Es kann doch nicht sein, dass Alleinerziehende bei der Vergabe benachteiligt werden, das ist völlig unsinnig“, sagt sie. „Gerade sie benötigen doch am allermeisten einen Betreuungsplatz für ihr Kind.“ Auch über eine weitere Regelung ärgert sie sich: Eltern müssen bei der Bewerbung um einen OGS-Platz lediglich einmal am Anfang nachweisen, dass sie berufstätig sind und somit Anspruch auf einen Platz haben. Wenn sie den Platz einmal bekommen haben, wird der Anspruch nicht mehr überprüft – auch, wenn etwa nach ein paar Monaten einer der Erziehungsberechtigten seinen Job verliert und somit selbst das Kind betreuen könnte. „Dann belegen Kinder jahrelang einen Platz, den ein anderes Kind vielleicht viel nötiger hätte“, sagt Nina Oczylok.
Die 32-Jährige hofft weiterhin, dass sich doch noch eine Möglichkeit ergibt, den Platz für ihren Sohn zu bekommen. „Es wäre eine bittere Ironie“, sagt sie: „Zu meinem Job gehört es, andere Menschen dazu zu motivieren, sich einen Arbeitsplatz zu suchen. Höchstwahrscheinlich muss ich meinen aber aufgeben.“
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