Gelsenkirchen-Buer. Bewusst einkaufen: „Juut“ will mit Shop und Gastro mehr bieten als Unverpacktes. Wieso Gelsenkirchen-Buer Städte wie Bochum und Essen ausstach.

Wenn es um Buers Attraktivität als Einzelhandels-Standort geht, wird gerne gejammert: Zu viele Leerstände und Billigläden, keine Frequenzbringer mehr aus der Saturn- und Sinn-Liga. Für Existenzgründer Anja Killmaier und Uwe Walter wird umgedreht ein Schuh draus: Als es um die Ansiedlung ihres Concept-Stores für nachhaltiges Shoppen ging – Gastronomie inklusive –, hatte Buer die Nase vorn, schlug gar Essen und Bochum. Ab Anfang Juni will das Duo beweisen: moderner Lifestyle und Umweltbewusstsein gehen zusammen – und zwar richtig „juut“.

„Juut GmbH“: So heißt das Start-up der Bochumerin (51) und des Bueraners (52), eben weil die beiden ihre Geschäftsidee an der Ophofstraße 19 „juut“ umsetzen wollen. Wo bis Ende Juli vergangenen Jahres zwei „Gelsenfruits“-Gastronomen Smoothies, Bagels und Bowls servierten, richten sich Killmaier und Walter gerade ein. Die ersten Regale sind bereits befüllt mit Unverpackt-Bio-Lebensmitteln wie Trockenfrüchten, Nüssen und Cerealien fürs Frühstück; die Metall-Behälter für Öle und Essige warten unterdessen noch auf ihren Inhalt.

Gelsenkirchener „Juut“-Geschäftsführer: „Wir sind kein Unverpackt-Laden“

Wechselnde Snacks und Getränke servieren Juut-Geschäftsführer Uwe Walter und Anja Killmaier an ihrem Standort an der Ophofstraße in Gelsenkirchen-Buer. Es soll der erste Store eines Franchise-Unternehmens mit rund 25 Filialen sein.
Wechselnde Snacks und Getränke servieren Juut-Geschäftsführer Uwe Walter und Anja Killmaier an ihrem Standort an der Ophofstraße in Gelsenkirchen-Buer. Es soll der erste Store eines Franchise-Unternehmens mit rund 25 Filialen sein. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Mit einem Unverpackt-Laden zu starten, wo doch reihenweise andere in die Knie gehen – ob das so klug ist? Walter lacht laut angesichts dieser Frage. „Wir sind kein Unverpackt-Laden! Lebensmittel ohne Verpackung machen neben solchen in wiederverwertbaren Verpackungen nur einen Teil unseres Bio-Sortiments aus. Unser Schwerpunkt liegt vielmehr auf Produkten aus den Bereichen Beauty und Wellness, Mode und Accessoires, Wohnen und Geschenkartikeln sowie Reinigen und Putzen“, sagt er.

Rund 1200 Artikel auf 130 Quadratmetern zählen zum „Angebots-Universum“ der Juut GmbH mit Sitz in Buer. Die Palette reicht bei den Lebensmitteln von Weinen, Kaffee, Tee, Marmelade und Honig über Hülsenfrüchte und Pasta bis hin zu Gewürzen, zumeist in Mehrweg-Pfand-Gläsern oder recyceltem Papier.

Existenzgründer aus Gelsenkirchen: Bei uns nicht teurer als im Supermarkt

Zum Erlebnis soll das nachhaltige Shoppen aber mit Lifestyle-Produkten wie Hautpflege-Artikeln, Geschirr, Trockentüchern und Textilien werden. Auch eine elektrische Zahnbürste mit Holz-Griff und -Aufsätzen sowie Kosmetik im puristisch gestalteten Bambus-Behälter sind bei „Juut“ erhältlich, deren Kartuschen mit Lippenstift, Mascara oder Eyeliner austauschbar sind.

„Nachhaltig einzukaufen, ist gar nicht schwer und bei uns auch nicht teurer als die Bio-Produkte im Supermarkt. Dabei haben wir unsere Lieferanten sorgfältig ausgewählt, was die fairen Produktionsbedingungen vor Ort und die Bio-Qualität angeht“, so Walter weiter.

Start-up aus Gelsenkirchen-Buer will anregen, nicht missionieren

Lebensmittel bilden nur einen kleinen Teil des Sortiments im Juut-Concept-Store in Gelsenkirchen-Buer. Darüber hinaus gibt’s Produkte für Beauty und Wellness, Mode, Wohnen und Geschenkartikel.
Lebensmittel bilden nur einen kleinen Teil des Sortiments im Juut-Concept-Store in Gelsenkirchen-Buer. Darüber hinaus gibt’s Produkte für Beauty und Wellness, Mode, Wohnen und Geschenkartikel. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Anregungen zu geben für Klima- und Umweltschutz vor Ort, ohne darauf warten zu müssen, dass Politik und Unternehmen aktiv werden: Das ist das Hauptanliegen des Duos, „ohne dass wir unsere Kunden belehren wollen“, betont er. „Juut ist, was die Leute selbst daraus machen. Wir setzen nur Impulse“, mag auch Killmaier (51) auf keinen Fall missionarisch-verbohrt daherkommen.

So viel Herzblut in dem Start-up auch steckt: Das Geschäft soll sich sehr wohl rentieren. „Deshalb ist der Store auch nur eine Säule unserer Selbstständigkeit“, so Walter, der mit Killmaier insgesamt zehn Arbeitsplätze in Voll- und Teilzeit sowie für Minijobber schaffen will. Säule zwei und drei bilden ein Online-Vertrieb „mit Tausenden nachhaltigen Artikeln“ sowie die Entwicklung von trockenen Fleischersatz-Produkten („da haben wir schon viele tolle Rezepte im Kopf“), die womöglich irgendwann auch in Supermarkt-Regalen stehen werden.

Juut GmbH aus Gelsenkirchen will eigene Produktlinie für Fleischersatz entwickeln

Anfang 2024, so die Planung, wolle man die vegane bzw. vegetarische Bio-Produktlinie auf den Markt bringen, die Fans von Frikadellen, Cevapcici und Bolognese-Sauce glücklich machen soll. Verkauft werden soll die in rund fünf Minuten servierfertige Trockenmasse in Mehrweg-Gläsern – und in der gemütlichen Deli-Ecke an der Ophofstraße.

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Wie der übrige Store in Weiß- und Grau-Tönen gehalten, bieten die teils gepolsterten Sitzgelegenheiten Platz für etwa zwölf Gäste. „Wir haben auch für eine Außengastronomie die Genehmigung bekommen“, freut sich Killmaier schon jetzt darauf, ihre Kundschaft mit wechselnden Snacks und Getränken zur Frühstück-, Mittags- und Kaffeezeit verwöhnen zu können.

Existenzgründer: Unternehmerische Entscheidung ist für Gelsenkirchen-Buer gefallen

An Optimismus mangelt es dem Duo nicht. „Ich kann Lebensmittel“, sagt Walter von sich selbst in Anspielung auf den Manager-Job bei Müller’s Mühle, den er nach rund 20 Jahren im Unternehmen für die Juut GmbH aufgegeben hat. Auch Anja Killmaier, früher als Vertriebs-Verantwortliche für Ersatzteil-Verglasungen bei Pilkington beschäftigt, ist zuversichtlich, dass die Geschäftsidee zünden wird. Der Bedarf und Wunsch nach nachhaltigen Produkten, nach einem umweltbewussteren Leben, er steige. Außerdem sei Buer der optimale Standort für das Projekt.

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„Wir haben mehrere Standorte, darunter auch Bochum, Essen und Recklinghausen, analysieren lassen. Das Ergebnis: Buer liegt vorn, was unsere Zielgruppe angeht, die an Nachhaltigkeit und Gesundheit interessiert ist, eine gute Kaufkraft hat und gebildet ist. Also ist unsere unternehmerische Entscheidung für Buer gefallen“, sagt Walter. Dass sich der Ruf von Buers City in den vergangenen Jahren verschlechtert hat, kann er nicht nachvollziehen. „Man darf Buer nicht unterschätzen“, meint er – und will ein Gutteil dazu beitragen, die Innenstadt zu beleben. Überhaupt soll Juut an der Ophofstraße nur der Anfang sein: Wenn alles glatt geht, sollen in den nächsten Jahren rund 25 weitere solcher Stores im Franchise-Verfahren eröffnen. So könnte „made in Buer“ glatt zur Marke werden.

Das Geschäft Juut, Ophofstraße 19, ist nach der Eröffnung Anfang Juni montags bis freitags von 9 bis 18 und samstags von 8 bis 15 Uhr geöffnet.