Gelsenkirchen. Die Zahl der Unfälle mit E-Bikes nimmt zu. Wie und wen die Gelsenkirchener Polizei mit einem Sicherheitstraining besonders schützen will.

Das Plus an Mobilität durch E-Bikes hat Schattenseiten. Denn immer mehr ältere Fahrer verunglücken beispielsweise mit dem Pedelec. Das geht aus der aktuellen Verkehrsunfallstatitstik des Landes hervor. Auch die Zahlen für Gelsenkirchen sind stark gestiegen, Anfang Mai erst hat es hier in der Emscherstadt einen tödlichen Unfall mit einem E-Bike gegeben. Erstmals steuert daher die hiesige Polizei mit einem Sicherheitstraining für Pedelec-Fahrer ab 60 Jahren dagegen.

„Die Zahlen sind alarmierend“, sagt Andreas Kluth, Leiter der Direktion Verkehr. „Wer sich täglich sicher im fließenden Verkehr mit einem Pedelec bewegen will, der sollte, ja, der muss sogar üben“, so der 57-jährige Polizeioberrat. Die elektrifizierten Räder – besonders beliebt bei der Generation 60 plus – sind deutlich schwerer als normale Fahrräder, ihr Beschleunigungs- und Bremsverhalten ist ganz anders. „Daher ist es wichtig, erst zu lernen, sicher mit den Pedelecs umzugehen, bevor man sich auf die Straße wagt“, so Kluth.

Verunglückte Pedelec-Fahrer in Gelsenkirchen: Zunahme um 20 Prozent

Die Zahl der verunglückten Radfahrer in Gelsenkirchen, inklusive Pedelec-Fahrer, ist um rund 24 Prozent auf nunmehr 200 (+37) gestiegen. Allein betrachtet, hat die Zahl der verunglückten Pedelec-Fahrer von 2021 auf 2022 um 20 Prozent zugenommen. Besorgniserregender sieht es bei E-Scootern aus: Hier wuchs die Zahl der Verunglückten von 36 auf 52, das ist es Plus von rund 44 Prozent.

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Lernen ist ein gutes Stichwort für Carsten Jahns und Jennifer Petry, die beiden Verkehrssicherheitsberater von der Polizei Gelsenkirchen. Sie bitten die Teilnehmer zunächst einmal zu einer kurzen Theorieeinheit, bevor es auf zwei Rädern auf dem Gelände der Jugendverkehrsschule an der Lohmühlenstraße in Buer unter anderem über den Parcours geht.

E-Bike, das ist nämlich nur der Oberbegriff, darunter gibt es eine Reihe von Typen, die sich etwa durch Geschwindigkeitsklassen (bis 25 oder bis 45 Stundenkilometer) und in der Versicherungs- und Kennzeichenpflicht unterscheiden, weil sie ab den höheren Geschwindigkeiten „als Kraftfahrzeug respektive Kleinkraftrad gelten“. Schutzhelm, Wartung, Inspektion, Haftpflicht – all dass und mehr sind Themen, die Jahns und Petry kurz und knackig beleuchten.

Warum den Gelsenkirchener Pedelec-Fans bei der Vollbremsung die Augen aufgehen

Polizist und Verkehrssicherheitsberater Carsten Jahns (3.v.l.) erklärt mit seiner Kollegen Jennifer Petry (r.) den Teilnehmenden am Pedelec-Sicherheitstraining die nächsten Aufgaben. Der Kursus findet auf dem Gelände der Jugendverkehrsschule an der Lohmühlenstraße in Buer statt.
Polizist und Verkehrssicherheitsberater Carsten Jahns (3.v.l.) erklärt mit seiner Kollegen Jennifer Petry (r.) den Teilnehmenden am Pedelec-Sicherheitstraining die nächsten Aufgaben. Der Kursus findet auf dem Gelände der Jugendverkehrsschule an der Lohmühlenstraße in Buer statt. © Foto: Nikos Kimerlis

Und natürlich das besondere Fahrverhalten der Pedelecs. Dank elektrischer Unterstützung ist man auf ihnen zwar flott unterwegs, langsam eine enge Kurve zu nehmen, erfordert allerdings mehr Geschick und Gefühl als bei einem üblichen Drahtesel. Das liegt daran, wie die Teilnehmer erfahren, dass die deutlich schwereren Räder „auf Lastwechsel anders reagieren“. Spätestens wenn beim Slalomkurs die ersten Hütchen umfallen oder kurz darauf beim Üben einer Vollbremsung, gehen einigen Teilnehmer die Augen auf.

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Zügig beschleunigen sollen die Pedelec-Fans dafür, dann „mal richtig in die Eisen gehen“ und an einer Markierung zu Stehen kommen. Mancher rutscht dabei vom Sattel, bremst mit einem Bein stotternd auf dem Boden, andere können sich gerade noch am Lenker abfangen, weil das Hinterrad schon leicht abhebt und sie gleich mit, und wiederum andere kommen zum Stehen – aber erst hinter der aufgemalten Grenze. Wenn dort etwas gestanden hätte, Auto, Motorrad, Fußgänger, Verletzungen dürften sicher die Folge gewesen sein.

Gefahr für ältere Menschen: Schnelle E-Bikes, aber schlechtere Reaktionszeiten

„Besonders gefährlich ist E-Bike-Fahren für ältere Menschen aufgrund schlechterer Reaktionszeiten“, erklärt Carsten Jahns, während er den Teilnehmenden wertvolle Tipps gibt, um ihr Fahren zu verbessern. „Kräftiger bremsen, Vorder- und Hinterradbremse gleichzeitig einsetzen, nicht vorzeitig absteigen, sonst stürzen sie und verletzen sich böse“.

Das sind häufige Unfallursachen bei E-Bikes

Wie aus Statistiken des Bundesamtes hervorgeht, waren die in 2022 verletzten oder getöteten E-Bike-Fahrenden im Schnitt 55 Jahre alt, Radler im Schnitt 41 Jahre alt. Aufgrund des höheren Alters und der dadurch höheren Verletzbarkeit enden E-Bike-Unfälle häufiger tödlich als Unfälle mit Fahrrädern.

Bei jedem dritten E-Bike-Unfall ist kein weiterer Verkehrsteilnehmer involviert. Bei Alleinunfällen waren Kontrollverluste durch bei Lenkung und Gleichgewicht ausschlaggebend, die häufigsten Unfallursachen gehen auf das schnellere Fahren und auf Bremsprobleme zurück. Alkohol ist auch öfter im Spiel.

Ein Radler mit 15 Stundenkilometern kommt inklusive Reaktionsweg auf rund zehn Meter Strecke, bis er anhält. Bei einem Pedelec mit Tempo 25 sind es schon etwas mehr als 18 Meter. Beim reinen Bremsweg allein ist der Unterschied sogar fast um den Faktor drei größer – 1,6 Meter zu 4,5 Metern.

Zahlen, die Eindruck machen, noch mehr aber die praktischen Übungen, die den älteren Frauen und Männern den Spiegel vor Augen halten, wie es um Geschicklichkeit, Reaktionsvermögen und Co. gerade steht.

Die nächsten Schulungstermine sind am 25. und 31. Mai sowie am 6. Juni jeweils von 13.30 bis 16.30 Uhr geplant. Eine Anmeldung für diese Trainings auf dem Gelände der Jugendverkehrsschule an der Lohmühlenstraße 25 ist noch möglich. Ansprechpartner ist Polizeihauptkommissar Carsten Jahns, erreichbar unter der Rufnummer: 0157 39 22 22 44.