Düsseldorf. NRW-Innenminister Herbert Reul hat die Verkehrsunfallstatistik 2022 vorgestellt: Bei Pedelec-Fahrern und E-Scootern gab es mehr Unfälle.

Im vergangenen Jahr 2022 gab es weniger Unfälle und Verkehrstote auf den Straßen in NRW als vor der Pandemie. Das berichtet NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU), der am Mittwoch in Düsseldorf die aktuelle Verkehrsunfallstatistik vorstellte. Jedoch nannte er besonders ältere Pedelec-Fahrer als „neue Sorgenkinder“. Zudem gab es in 2022 die ersten toten E-Scooter-Fahrer in NRW.

610.000 Verkehrsunfälle in NRW in 2022

Die Front des SUV ist bis zur Unkenntlichkeit verformt, das Dach vorne eingedrückt. Der VW Touareg, den die Polizei NRW vor dem Innenministerium aufgestellt hat, ist ein Totalschaden. Der Wagen war im vergangenen Jahr bei Versmold in Westfalen, nach Angaben der Polizei, wohl nach einem illegalen Autorennen in einen schweren Unfall verwickelt, der Fahrer starb noch an der Unfallstelle. Anhand des Wracks soll gezeigt werden, welche verheerenden Folgen illegale Straßenrennen haben können.

Der Mann ist einer von zwölf Toten in NRW in 2022 im Zusammenhang mit illegalen Rennen. Insgesamt starben 451 Menschen bei 610.000 Verkehrsunfällen im Bundesland. Die Zahl der Verkehrstoten stieg dabei nur leicht im Vergleich zu den Pandemiejahren 2020 und 2021 (430 und 425 Tote). Im Vergleich zum letzten Vor-Pandemie-Jahr änderte sich die Zahl kaum – 456 Tote waren es in 2019.

Niedrigster Wert sein Beginn der Unfallaufzeichnungen vor 69 Jahren

Da es in den Pandemiejahren ein geringeres Verkehrsaufkommen gab, werden die aktuellen Zahlen mit jenen von vor Corona verglichen. Dabei ergebe sich 2022 besonders bei der Gesamtzahl der Unfälle mit einem Minus von 9,5 Prozent im Vergleich zu 2019 ein deutlicher Rückgang, wie Innenminister Reul erklärt. „Klammert man die zwei Ausnahmejahre der Pandemie aus, ist das der niedrigste Gesamtwert sowohl bei den Verkehrsunfällen als auch bei den Verkehrstoten seit Beginn der Unfallaufzeichnungen vor 69 Jahren“, so Reul. Im Vergleich zum Pandemiejahr 2021 gebe es bei den Unfällen einen leichten Anstieg um 4,8 Prozent.

Auch die Zahl der Schwerverletzten sei rückläufig. Mit 12.500 Menschen wurden demnach in 2022 rund 1000 weniger schwer verletzt als noch in 2019. „Viele Millionen Menschen kommen tagtäglich sicher an. Und obwohl die Menschen wieder deutlich mobiler waren, gab es weniger Unfälle als vor Corona. Das soll so weitergehen. Unser Motto im Straßenverkehr ist Leben“, so Reul weiter.

Mehr Unfälle unter Alkohol und Drogen: Reul ist gegen Cannabis-Legalisierung

Allerdings sei die Zahl der Unfälle unter Alkoholeinfluss gestiegen. Mehr als 3300 gab es in NRW in 2022. Das seien 28 Prozent mehr als noch in 2021. 29 Menschen starben dabei, 21 davon waren selbst alkoholisiert und verursachten den Unfall. Acht Menschen starben als Unfallbeteiligte, weil andere Alkohol konsumiert hatten, berichtet Reul. Ähnlich seien die Zahlen der Unfälle im Zusammenhang mit Drogen gestiegen. 637 Unfälle mit Verunglückten im Drogenrausch zählt die Polizei für 2022. Dabei seien vier Menschen ums Leben gekommen. Zwei davon waren Unfallverursacher, die beiden anderen Todesopfer waren Unbeteiligte.

Ein Grund, warum Herbert Reul sich weiterhin gegen eine Legalisierung von Cannabis ausspricht. „Wir haben doch schon genug Probleme mit Alkohol“, sagt Reul. Bei der Legalisierungs-Debatte müsse man die Auswirkungen auf den Straßenverkehr mitdiskutieren, so der Innenminister. „Wenn wir Cannabis legalisieren, werden sich noch mehr Menschen mit Drogenrausch hinters Steuer setzen. Und die Zahlen gehen weiter in die Höhe. Ich bin mir sicher, dass jeder dieser Unfälle und jeder dieser Toten vermeidbar gewesen wäre.“

NRW-Innenminister Herbert Reul zeigt in Düsseldorf das Wrack des wohl bei einem illegalen Straßenrennen verunfallten VW Touareg.
NRW-Innenminister Herbert Reul zeigt in Düsseldorf das Wrack des wohl bei einem illegalen Straßenrennen verunfallten VW Touareg. © dpa | Oliver Berg

Viele Beteiligte bei Pedelec-Unfällen sind Senioren

Zudem gebe es nach Angaben des Innenministers aber auch „neue Sorgenkinder“. Seit einigen Jahren werden Pedelecs immer beliebter. Besonders ältere Menschen haben die praktischen Elektrofahrräder für sich entdeckt. Mit der höheren Zahl an Pedelecs und Nutzern zogen aber auch die Unfallzahlen an. 6766 Pedelec-Fahrer verunglückten der Statistik zufolge in 2022. Im Vergleich zu 2021 (4853 Unfallopfer) ist das ein Plus von 42 Prozent. 48 Menschen kamen dabei ums Leben. 29 der Getöteten waren älter als 65 Jahre, 24 waren sogar über 75 Jahre alt.

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Der Innenminister betont, man werde in diesem Bereich noch mehr für die Unfallprävention machen und verwies auf die Pedelec-Trainings, die mittlerweile viele Polizeibehörden in ganz NRW anbieten. Und Reul appelliert an Pedelec-Fahrer: „Überschätzen Sie sich bitte nicht. Üben Sie, gehen Sie zum Fahrtraining.“ Für eine Helmpflicht sei er jedoch nicht. Eine solche Pflicht müsse man auch kontrollieren können. „Es macht keinen Sinn, eine Regel aufzustellen, die man nicht kontrolliert.“ Er setze auf Eigenverantwortung: „Wer klug ist, schützt sich.“

Starker Anstieg der Toten bei illegalen Straßenrennen

Besorgniserregend seien auch die stark zunehmenden Unfälle mit E-Scootern. In 2022 gab es in NRW die ersten drei Toten nach Unfällen mit den Rollern. Insgesamt gab es 1818 Unfälle mit E-Scootern rund 700 mehr als in 2021. Rund 1200 davon waren selbstverursacht. 396 der Verursacher seien dabei alkoholisiert oder unter dem Einfluss anderer Drogen gefahren. „Das ist alles vermeidbar“, betont Reul.

Bei den E-Scootern spricht Reul aber auch von einer hohen Dunkelziffer. Rund drei Viertel aller E-Scooter-Unfälle werden der Polizei gar nicht erst gemeldet.

Unter Alkohol- oder Drogeneinfluss standen auch 166 Fahrer, die an verbotenen Autorennen beteiligt waren. 2052 dieser Rennen zählt die Polizei in NRW für 2022. 484 dieser Rennen führten der Statistik nach zu einem Unfall. Dabei fällt der Anstieg der Todeszahlen auf: Denn im Vergleich zu den zwölf Toten in 2022 starben 2019 nur zwei Menschen bei Straßenrennen. 2020 waren es fünf und 2021 nur einer. Die hohe Zahl der Autorennen sei der Grund, warum man immer wieder Kontrollen in der Raser- und Poserszene durchführe, so Reul.