Gelsenkirchen. Der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst wird für Gelsenkirchen teuer. OB Karin Welge wünscht sich eine „ehrlichere Diskussion“ über Finanzen.

Nach dem Tarifabschluss im öffentlichen Dienst haben die Stadt, ihre Töchter und die Gesellschaften, an denen die Stadt beteiligt ist, die Taschenrechner herausgeholt: Wie teuer wird er wirklich, der zähe Kompromiss, dem, gerade auch in Gelsenkirchen, viele große Warnstreiks vorausgegangen waren? Zweieinhalb Wochen nach Ende des Tarifstreits stehen die Zahlen nun – und sie bedeuten für die ohnehin auf Kante genähten Gelsenkirchener Stadtfinanzen zusätzliche Kosten in Höhe von mehreren zehn Millionen Euro.

Der Bund, die Kommunen (mit Verhandlungsführerin Karin Welge) und die Gewerkschaften hatten sich am 22. April darauf verständigt, dass die rund 2,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst zunächst eine steuer- und abgabenfreie Einmalzahlung von 3000 Euro erhalten. Vom März 2024 an wird es dann einen festen Sockelbetrag von 200 Euro brutto monatlich und anschließend eine Tariferhöhung von 5,5 Prozent geben – mindestens aber 340 Euro mehr brutto. Die Laufzeit des neuen Vertrages beträgt 24 Monate.

Tarifabschluss im öffentlichen Dienst kostet die Stadt Gelsenkirchen 36 Millionen Euro

Demnach erwartet die Stadt für das Jahr 2023 Personalkostensteigerungen in Höhe von 5,3 Millionen Euro, für 2024 dann weitere Steigerungen in Höhe von satten 30,7 Millionen Euro. Insgesamt sind das 36 Millionen Euro.

Mitberücksichtigt sind hier die Personalkosten für die Mitarbeitenden in dem Kernhaushalt, für die Beschäftigten aller Eigenbetriebe (Gelsendienste, Gelsenkanal, Gekita, die Seniorenhäuser der Stadt, Kommunale Datenzentrale), die privatwirtschaftlich organisierten 100-prozentigen Stadttöchter (Stadtwerke, GGW, Musiktheater, Stadterneuerungsgesellschaft) und alle Beteiligungsgesellschaften (u.a. Bogestra, Vestische, Wissenschaftspark).

Weitere Folgen des Abschlusses

Noch nicht berücksichtigt hat die Stadt in ihrer Rechnung zum Tarifabschluss die Personalkosten beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL). Hier beteiligt sich die Stadt über eine Umlage im Haushalt mit voraussichtlich knapp 120 Millionen Euro im Jahr 2023.

Auch noch nicht berücksichtigt wurden die Wohlfahrtsträger wie Awo, die Caritas oder die Diakonie, bei denen die Stadt Leistungen einkauft. Auch bei ihnen sei der Tarifabschluss erwartet worden, um künftig ebenfalls höhere Personalkosten verlangen zu können. „Das bedeutet: Die Folgen dieses Abschlusses sind viel weitreichender als von uns zum jetzigen Zeitpunkt errechnet.“

Außerdem hat die Stadt in ihrer Rechnung bereits mitbeachtet, was es bedeuten würde, wenn man die Tarifergebnisse auf die Beamtinnen und Beamten übertragen würde. Die Übernahme gilt als vergleichsweise unstrittig, steht aber noch aus. Schaut man nur auf die Beamten, so würde der Tarifabschluss die Stadt Gelsenkirchen im Jahr 2023 alleine 1,9 Millionen Euro und im Jahr 2024 noch mal 4,3 Millionen Euro kosten.

OB Karin Welge: „Diese Diskussion wird manchmal nicht besonders ehrlich geführt“

In finanzielle Bedrängnis gerät die klamme Kommune ohnehin aufgrund der Energiekrise, enorm gestiegener Kosten im Bausektor, explodierender Zinsen und der Unterbringungs- und Integrationskosten für geflüchtete und zugewanderte Menschen. Wie sie da den Tarifabschluss auch noch stemmen soll? „Wir werden das eben am Ende des Tages als Gesellschaft leisten müssen“, sagte Oberbürgermeisterin Karin Welge im Gespräch mit der WAZ.

Eine Einigung zu finden, sei letztendlich zwar „wirklich gut“ gelungen. „Das ändert aber nichts daran, dass es gesamtwirtschaftlich eine teure Rechnung wird“, so Welge, die als Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) die Verhandlungen geführt hat.

„Überrascht“ sei Welge jedoch davon gewesen, dass erst im Zuge des Tarifstreits in Politik und Gesellschaft verstärkt die Debatte geführt worden sei, ob die Kommunen die Zusatzbelastungen tatsächlich noch verkraften könnten. „Bei den enormen Energiepreiserhöhungen, die im laufenden Jahr voraussichtlich 30 Millionen Euro Mehrausgaben bedeuten werden, oder bei den millionenschweren Corona-Hilfen gab es diese Diskussion weniger“, beobachtete die OB und urteilt: „Die Diskussion über die Finanzströme wird manchmal nicht besonders ehrlich geführt.“