Gelsenkirchen. Karin Welge ist Gelsenkirchens OB. Zugleich steht sie als Chefin kommunaler Arbeitgeber ihren eigenen Mitarbeitern gegenüber. Was sie antreibt.
„Lass das Schnacken sein, Karin, und gib die Kohle und die Übernahmegarantie her“, brüllt die Juso-Vertreterin an diesem Mittwochvormittag nur wenige Meter unter Karin Welges Büro ins Mikrofon. Einige Hundert Auszubildende im Öffentlichen Dienst demonstrieren und unterstreichen diese Forderung lautstark begleitet von durchdringenden Bässen und Klängen vom DJ-Pult des Streik-Lkw.
Nachdem bundesweit bereits mehrfach alle Beschäftigten im Öffentlichen Dienst der Kommunen und des Bundes zum Streik aufgerufen wurden, legten nun noch einmal die Auszubildenden in Gelsenkirchen und aus der Region die Arbeit nieder, weil sie mehr verlangen: vor allem mehr Geld – mindestens 200 Euro monatlich.
Und einmal mehr steht dabei Gelsenkirchens OB Karin Welge im Fokus. Denn die SPD-Politikerin ist bekanntermaßen nicht nur die Chefin im hiesigen Rathaus, sondern als Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) auch eine der Verhandlungsführerinnen aufseiten der Arbeitgeber im laufenden Tarifstreit. Dass Welge die Streikaufrufe der Gewerkschaften für überzogen und unangemessen hält, kommt bei den Streikenden selbst – gerade auch bei den Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchenern – erwartungsgemäß überhaupt nicht gut an.
Doppelrolle als Gelsenkirchener Oberbürgermeisterin und VKA-Präsidentin
Hohe Beliebtheitswerte kann Welge in ihrer Position als VKA-Präsidentin nicht sammeln. Den Angestellten im Öffentlichen Dienst hält sie vor, dass deren Forderungen nicht bezahlbar und überzogen seien, was bei den Angesprochenen für Ärger sorgt. Auf der anderen Seite wird Welge am Ende Tarifverhandlungen auch den Steuerzahlern in Deutschland erklären müssen, warum der öffentliche Dienst immer teurer wird. Ein Beispiel: Würde die Maximalforderung der Gewerkschaften in Höhe von 10,5 Prozent erfüllt, müsste allein Gelsenkirchen zusätzlich zu den im Haushalt bereits einkalkulierten drei Prozent Lohnsteigerung noch weitere 21 Millionen Euro jährlich mehr aufbringen.
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Warum also tut sich Gelsenkirchens OB diese Rolle an? Ist sie mit ihrem Amt in der Emscherstadt nicht ausgelastet genug? Was sie zu dieser Doppelrolle motiviert, beantwortet Karin Welge auf Nachfrage der WAZ Gelsenkirchen.
„Beide Tätigkeiten lassen sich reibungslos vereinbaren. Die VKA-Tätigkeit nimmt natürlich momentan mehr Zeit in Anspruch als in Zeiten, in denen keine Tarifverhandlungen geführt werden. Da ich ein wunderbares und darüber hinaus bestens organisiertes Team hier in Gelsenkirchen habe und auf die Unterstützung der VKA-Geschäftsstelle in Berlin zählen kann, lässt sich gar nicht über ‘fehlende Zeit’ für eines der Ämter sprechen. Wir haben bislang alle unsere Termine halten können und Vorhaben adäquat umgesetzt – sowohl in Gelsenkirchen als auch in Berlin“, so Welge.
Karin Welge: „Dafür stehe ich als Präsidentin der kommunalen Arbeitgeber, aber auch als Oberbürgermeisterin Gelsenkirchens“
Der 61-jährigen Sozialdemokratin sei es ein wichtiges Anliegen, als Interessenvertreterin der kommunalen Arbeitgeber an Entscheidungen mitwirken zu können, die die Beschäftigten im öffentlichen Dienst betreffen. Ihr gehe es darum, zusammen mit der Arbeitnehmerseite einen „verlässlichen und funktionierenden Staat zukunftsfähig zu halten“, so Welge. Dass dabei neben guten Arbeitsbedingungen auch „eine faire und auskömmliche Bezahlung das Bild abrunden“, wie Welge sagt, sei auch ihr Anliegen. Und eben dafür stehe sie als Präsidentin der kommunalen Arbeitgeber aber auch als OB. „Daher sehe ich in der Ausübung des Ehrenamtes als VKA-Präsidentin und meinem Amt als Oberbürgermeisterin der Stadt Gelsenkirchen auch keinen Widerspruch.“
Ehrenamtlich VKA-Präsidentin
Als Präsidentin der VKA erhält Karin Welge eine pauschale Tätigkeitsvergütung. „Wie Ihnen aber auch bekannt sein dürfte, übt man ein Ehrenamt nicht aus, um damit reich zu werden. Es geht mir um die aktive Mitgestaltung“, so Welge
Bei der Bewertung dessen, was „auskömmlich und fair“ ist, liegen Gewerkschaften und Bund und Kommunen aber noch weit auseinander. Während Welge unterstreicht, dass sie das zuletzt von Arbeitgeberseite unterbreitete Angebot für ein gutes hält, macht sie auch klar, dass die Forderungen der Gewerkschaften die Finanzplanung der Städte sprengen und damit zulasten der Bürgerinnen und Bürger gehen würden.
Darüber, ob und wie sich der Streit mit den Gewerkschaften für sie auswirken könnte, sollte sie in zwei Jahren erneut für die SPD ins Rennen um das OB-Amt gehen, mache sich Welge keine Gedanken. „Ich bin heute Oberbürgermeisterin und lege den Blick auf die Dinge, die jetzt unmittelbar anstehen und konzentriere mich darauf, eine gute Zukunft für Gelsenkirchen und unsere Mitarbeitenden zu gestalten“, erklärt sie.
Die Interessen der Beschäftigten mit all den sonstigen Interessen einer Stadt in Einklang zu bringen sei schon eine herausfordernde Aufgabe, räumt Welge ein. „Aber es ist auch eine Aufgabe, die es wert ist, manch einen Konflikt auszuhalten. Zuspitzung und Kompromisse gehören zu meinem professionellen Alltag.“